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Graichen droht Disziplinarverfahren - Weitere-Ausschuss-Befragung

10.05.2023
um 17:32 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Opposition lässt in der Personal-Affäre um Energie-Staatssekretär Patrick Graichen nicht locker.

"Es bleiben viele Fragen offen", kritisierte CDU-Wirtschaftsexpertin Julia Klöckner am Mittwoch nach einer Befragung von Graichen und Wirtschaftsminister Robert Habeck im Wirtschafts- und Energieausschuss des Bundestags. "Die Ampelfraktionen haben heute eine große Chance vertan, für Aufklärung und Transparenz zu sorgen." Sie hätten gegen einen öffentliche Sitzung gestimmt. Daher wolle man eine weitere, offene Befragung. Habeck sagte, er bedaure, dass die Sitzung nicht öffentlich gewesen sei. Er halte weiter an Graichen fest, auch wenn ein Fehler gemacht worden sei. Der Grünen-Politiker erklärte zudem, ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren gegen Graichen werde geprüft.

Graichen und Habeck stehen vor allem unter Druck, da Graichens Trauzeuge als neuer Chef der staatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena) ausgewählt worden war. Graichen war dabei am Vorauswahlprozess beteiligt und hatte die Beziehung zunächst nicht transparent gemacht. Habeck hat dies inzwischen als Fehler bezeichnet: Das Besetzungsverfahren wird neu aufgerollt, ein neuer Chef gesucht.

Der Minister sagte nach der Ausschuss-Sitzung, die Fragen seien alle beantwortet, hier und da müsse man vielleicht nochmal nachlegen. In der Vergangenheit seien aber der Fehler bei der Dena-Besetzung mit anderen Themen vermengt worden: "So dass es ein Gespinst von Unterstellungen, Unwahrheiten und Halbwahrheiten gegeben hat." In einer von der AfD beantragten aktuellen Stunde im Bundestag, warfen die Grünen der Union vor, den Fall Graichen nur als Vorwand zu nehmen. Eigentlich wolle man Vorhaben wie das Heizungs-Gesetz treffen. "Sie haben Maß und Mitte verloren", kritisierte der Grünen-Abgeordnete Felix Banaszak.

FDP: HABECK MUSS VERTRAUEN ZURÜCKGEWINNEN

Die AfD forderte den sofortigen Rücktritt von Graichen. Es sei klargeworden, dass er die Verbundenheit mit seinem Trauzeugen über Monate verschwiegen und ihn im Auswahlprozess unterstützt habe.

Der FDP-Energieexperte Michael Kruse mahnte, Habeck müsse nun Vertrauen zurückgewinnen. "Die Vorprüfung, ob ein dienstrechtliches Verfahren wegen beamtenrechtlicher Verfehlungen eingeleitet wird, sollte möglichst zügig abgeschlossen werden. Für leitende Beamte müssen dabei besonders hohe Ansprüche gelten."

Graichen hat auch familiäre Verbindungen zum Öko-Institut, das immer wieder Aufträge des Ministeriums für Gutachten und Studien bekommen hat. Graichens Schwester Verena arbeitet dort und ist zudem mit Wirtschafts-Staatssekretär Michael Kellner verheiratet, ein Bruder von Graichen ist ebenfalls beim Öko-Institut tätig.

Dies sei aber schon vor Beginn der Ampel-Regierung transparent öffentlich gemacht worden, machte Habeck deutlich. Aufträge an das Institut seien nicht über Graichens Schreibtisch gegangen. Die Dena-Besetzung sei hingegen falsch gewesen und deshalb korrigiert worden. "Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss." Graichen selbst twitterte: "Ich habe bei dem Besetzungsverfahren der Dena-Geschäftsführung einen Fehler gemacht, den ich sehr bedaure und bereue."

Die Union fordert aber weiter seinen Rücktritt. "Wir haben höchste Zweifel an der Eignung von Staatssekretär Graichen", sagte Klöckner. Auch die Frage eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses stehe weiter im Raum.

(Bericht von: Markus Wacket. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)