Reuters

Grüne wollen Kurs nach Bremen-Schlappe nicht grundlegend ändern

15.05.2023
um 16:52 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Grünen haben nach den deutlichen Stimmenverlusten bei der Wahl in Bremen erste Konsequenzen gezogen, wollen aber den Kurs in der Bundespolitik nicht grundlegend ändern.

"Wir hatten uns mehr ausgerechnet", sagte Co-Parteichef Omid Nouripour am Montag in Berlin. Die Spitzenkandidatin in Bremen, Maike Schaefer, kündigte ihren Rückzug an und übernahm damit die politische Verantwortung. Beim umstrittenen Heizungsgesetz, das ab 2024 den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen forcieren soll, wollen die Grünen einen stärkeren sozialen Ausgleich durchsetzen.

Nouripour nannte das Ergebnis in Bremen enttäuschend. Nach Angaben der Wahlleitung kamen die Grünen auf 12,0 Prozent, das wären 5,4 Punkte weniger als bei der vorherigen Wahl. Sie sind damit der größte Verlierer und könnten aus der Landesregierung fliegen. Die SPD kommt mit deutlichen Gewinnen und 30,1 Prozent auf Platz eins. Sie profitierte Umfragen zufolge vom beliebten Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Die CDU folgte mit 25,0 Prozent auf Rang zwei, 1,7 Punkte weniger als im Jahr 2019. Die Daten basieren auf ausgezählten Stimmzetteln bis Montag 14 Uhr. Das vorläufige Endergebnis wird erst am Mittwoch erwartet.

Größere Auswirkungen auf die Ampel-Koalition im Bund erwarten weder Grüne noch FDP. "Wir kämpfen für unsere Projekte und unsere liberalen Grundüberzeugen, egal ob es einzelne Erfolge oder einzelne Rückschläge gibt", so FDP-Chef Christian Lindner. Er sprach von einer erfolgreichen Wahl, obwohl die FDP nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde knackte und derzeit mit Verlusten bei 5,2 Prozent liegt.

Nouripour führte das schwache Ergebnis der Grünen vor allem auf landespolitische Gründe zurück, auch wenn aus dem Bund zuletzt kein Rückenwind gekommen sei. Die Partei hatte in den Umfragen in Bremen zuletzt noch bei 21 Prozent gelegen. Vor allem die Kompetenzwerte beim grünen Urthema Klima stürzten ab. Viele Bürger machen sich derzeit Sorgen, beim Heizungsgesetz finanziell überfordert zu werden. Außerdem gibt es Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen das Grünen-geführte Bundeswirtschaftsministerium von Vize-Kanzler Robert Habeck.

WOHLSTANDSVERLUST WEGEN HEIZUNGSTAUSCH BEFÜRCHTET

Beim Heizungsgesetz - im Fachjargon Gebäudeenergiegesetz (GEG) - wollen die Grünen noch vor der parlamentarischen Sommerpause einen Beschluss des Bundestages herbeiführen. Vor allem der Ampel-Partner FDP steht hier aber auf der Bremse. "Wir sind gesprächsbereit", so Nouripour. Es müsse im Wärmebereich endlich angefangen werden mit mehr Klimaschutz. Er gehe davon aus, nicht alleine für einen stärkeren sozialen Ausgleich zu kämpfen. Dazu habe sich die Ampel-Regierung klar bekannt. Die Grünen wollen bis zu 80 Prozent Förderung für ärmere Bevölkerungsschichten - deutlich mehr als bisher vorgesehen.

SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sagte, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssten zusammengebracht werden. Für das GEG heiße dies lebenspraktische Ausnahmen und Übergangsregeln, soziale Förderung gestaffelt nach Einkommen sowie einen gestärkten Mieterschutz. "Das Ziel bleibt aber, dass es zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt."

Laut CSU-Chef Markus Söder sorgen sich die Bürger vor einem Wohlstandsverlust. Zudem drohe eine Abwanderung der Industrie wegen hoher Energiepreise. Deswegen müssten die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gesenkt werden, sagte er in München. Habeck mute den Bürgern dagegen mit dem Heizungsgesetz weitere hohe Kosten zu.

In Bremen hat das bisherige Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und Linken weiterhin eine Mehrheit, aber auch eine große Koalition aus SPD und CDU wäre denkbar. Nouripour sagte, große Koalitionen würden keine Entscheidungen treffen, weswegen der Reformstau sich dann nicht auflösen würde.

Der Landesverband der Grünen in Bremen teilte unterdessen mit, Schaefer werde für die kommende Legislaturperiode nicht mehr als Senatorin zur Verfügung stehen. Sie war zuletzt für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau zuständig. "Wir sind aber auch gemeinsam zu der Erkenntnis gekommen, dass für die anstehenden Verhandlungen und die kommende Legislaturperiode ein Signal des Aufbruchs notwendig ist."

(Bericht von Christian Krämer, Andreas Rinke, Alexander Ratz und Jörn Poltz, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)