Reuters

Gut ein Fünftel von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht

16.05.2023
um 08:27 Uhr

Berlin (Reuters) - Mehr als jeder fünfte Bürger gilt in Deutschland als von Armut oder sozialer Ausgrenzung gefährdet.

Dies traf im vergangenen Jahr auf gut 17,3 Millionen Menschen zu, was 20,9 Prozent der Bevölkerung entspricht, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag zu den Erstergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen mitteilte. Gegenüber 2021 blieben die Werte nahezu unverändert: 2021 galten knapp 17,3 Millionen Menschen oder 21,0 Prozent der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Ein EU-weiter Vergleich ist noch nicht möglich, da bislang weniger als die Hälfte der EU-Staaten ihre Ergebnisse veröffentlicht haben. 2021 hatte Deutschland mit einem Anteil von 21,0 Prozent knapp unter dem EU-Schnitt von 21,7 Prozent gelegen.

Eine Person gilt in der Europäischen Union (EU) als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft: Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, ihr Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen oder sie lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung. "Für jede dieser Lebenssituationen kann jeweils der Anteil der Betroffenen an der Bevölkerung ermittelt werden", so die Statistiker.

2022 war demnach etwa jede siebte Person - 14,7 Prozent der Bevölkerung oder 12,2 Millionen Menschen - in Deutschland armutsgefährdet. 2021 lag die Quote mit 16,0 Prozent höher. Eine Person gilt als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2022 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland netto, also nach Steuern und Sozialabgaben, bei 1250 Euro im Monat. Für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag der Schwellenwert bei 2625 Euro im Monat.

6,1 Prozent der Bevölkerung oder 5,1 Millionen Menschen waren zugleich von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen (2021: 4,3 Prozent). "Das bedeutet, dass ihre Lebensbedingungen aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln deutlich eingeschränkt waren", erläuterte das Bundesamt. "Die Betroffenen waren zum Beispiel nicht in der Lage, ihre Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie etwas essen oder trinken zu gehen."

(Bericht von Rene Wagner. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)