Reuters

Europarat will Russland zur Rechenschaft ziehen

17.05.2023
um 07:42 Uhr

Reykjavik (Reuters) - Die Staaten des Europarats wollen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine zur Rechenschaft ziehen.

Auf ihrem Gipfeltreffen in Island wollen sie am Mittwoch den Startschuss für die Einrichtung eines Schadensregisters zum Ukraine-Krieg beschließen. Darin sollen alle von Russland in der Ukraine verursachten Schäden festhalten werden, heißt es in dem Entwurf der Gipfel-Erklärung. Das Register soll der erste Schritt auf dem Weg für mögliche Entschädigungszahlungen werden.

Auch Kanzler Olaf Scholz forderte in seiner Rede auf dem Gipfel, dass Russland für die in der Ukraine im Krieg angerichteten Schäden aufkommen muss. Ähnlich äußerten sich etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Rishi Sunak. Es könne russische Soldaten schon vor neuen Kriegsverbrechen in der Ukraine zurückschrecken lassen, wenn die Aussicht bestehe, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Am Dienstag und Mittwoch findet in Reykjavik erst der vierte Gipfel des 1949 gegründeten Europarates statt. Die Staatenorganisation, zu der auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gehört, sieht sich als Hüterin der Werte und Menschenrechte in Europa. Die Urteile des Gerichtshofs sind bindend für die Mitgliedstaaten. Die Konventionen zu Themen wie Gleichberechtigung oder Flüchtlingen bilden das juristische Wertefundament Europa. Russland wurde 2022 nach dem Angriff auf die Ukraine ausgeschlossen, Belarus suspendiert. "Der Europarat ist heute so wichtig wie wohl niemals zuvor", sagte Scholz.

Allerdings mahnten der Kanzler und Macron die 46 Mitglieder, dass sie auch selbst allen Pflichten ohne Abstriche nachkommen müssten. Dazu zähle, alle Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte konsequent umzusetzen. hieß es mit Anspielung vor allem auf die Türkei. Diese hat unter Präsident Recep Tayyip Erdogan etliche Urteile des zum Europarat gehörenden Gerichts nicht umgesetzt. Die Regierungen sollten Niederlagen vor Gericht als "Gewinn für die Menschenrechte" begreifen. Auch mit Großbritannien gibt es Diskussionen, weil die Regierung weiter Migranten nach Ruanda abschieben will, was vom Gerichtshof beanstandet wurde. Sunak plädierte in seiner Rede für einen verstärkten Kampf gegen illegale Migration.

Scholz machte sich dafür stark, dass sich der Europarat künftig auch um den Schutz der Menschenrechte im Digitalzeitalter und um das Recht auf eine "gesunde Umwelt" kümmern solle. Macron nannte ethische Fragen bei der Künstlichen Intelligenz als neues Feld für den Europarat. Sunak nannten auch Cyberattacken und mahnte, dass man Probleme angehen müsse, bevor sie zu groß würden.

Im Zentrum des ersten Tages stand aber die Unterstützung für die Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte in einer Videoschalte, dass die europäischen Staaten seinem Land mehr Luftverteidigungssysteme und Kampfjets liefern sollten. Er bezeichnete es als "historisch", dass die Ukraine am Dienstag alle von Russland abgefeuerten Raketen auf ukrainische Städte habe abwehren können. Russland behauptet allerdings, dass man eine Patriot-Luftabwehrstellung habe zerstören können.

Scholz, Sunak und Macron bezeichneten das Schadensregister als zentrales Element der Aufarbeitung des Ukraine-Krieges. "Das Register ist die Voraussetzung dafür, dass mit gemeinsamen Daten gearbeitet werden kann", sagte Scholz zu der Schadenshöhe. Für die folgenden internationalen Gespräche bilde es die Grundlage. Es ist aber ungeklärt, ob etwa beschlagnahmte russische Vermögen im Ausland für Reparationszahlungen herangezogen werden können.

(Bericht von Andreas Rinke und Tassilo Hummel; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)