Reuters

Russland, Iran und die Zeit - Was Assad an der Macht hielt

19.05.2023
um 12:32 Uhr

(Reuters) - Syriens Präsident Baschar al-Assad ist erstmals seit über einem Jahrzehnt wieder zu einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga eingeladen.

Dort trifft er am Freitag Staatsoberhäupter, die ihn lange Zeit gemieden haben. Jetzt holen sie ihn wieder dazu, weil sie sich aus machtpolitischen Gründen annähern. Die USA und andere westliche Länder sehen das kritisch.

Auf die Frage, wie es Assad in all den Jahren der Ächtung gelang, an der Spitze des Staates zu bleiben und am Ende wieder hoffähig zu werden, verweisen Insider vor allem auf den Faktor Zeit. Die Zeit sei für Assad immer mehr zum Verbündeten geworden, zumal ihm der Iran und Russland über Jahre mit militärischem Beistand beim Machterhalt geholfen hätten, sagen Personen, die mit Assads Überlegungen vertraut sind. Nach zwölf Jahren Bürgerkrieg, die ihn wegen seines harten Vorgehens gegen das eigene Volk in weiten Teilen der Welt zu einer verachteten Person machten und in dem 350.000 Menschen getötet wurden, scheint sich seine Strategie nun auszuzahlen.

Seine Teilnahme an dem Gipfel scheint seine Rehabilitierung in der Region zu besiegeln. Für Assad ist das ein diplomatischer Triumph - neben dem militärischen Sieg, den er schon vor Jahren verkündet hat, obwohl Teile Syriens weiterhin nicht unter seiner Kontrolle sind. Das wäre zu Beginn des Konflikts undenkbar gewesen, als sich die arabischen Golfstaaten hinter die Aufständischen in Syrien stellten und der damalige US-Präsident Donald Trump Assad wegen des Einsatzes von Chemiewaffen als "Tier" bezeichnete.

Für Assad war es Anfangs nicht ausgemacht, dass er einmal an der Spitze Syriens stehen würde. Eigentlich wollte der heute 57-Jährige Augenarzt werden. Nachdem sein älterer Bruder Basil aber 1994 bei einem Autounfall ums Leben kam, wurde Baschar aber zum Nachfolger seines Vaters Hafis al-Assad als Staatschef aufgebaut.

Nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 sah es zunächst so aus, als würde er liberale Reformen durchsetzen - im sogenannten "Damaszener Frühling". Er ließ politische Gefangene frei, erlaubte offene Diskussionen, machte Annäherungsversuche an den Westen und öffnete die Wirtschaft für Privatunternehmen. Seine Heirat mit der in Großbritannien geborenen ehemaligen Investmentbankerin Asma Akhras nährte zudem die Hoffnung, dass er Syrien nach der drei Jahrzehnte währenden Herrschaft seines Vaters auf einen moderneren Weg bringen könnte.

Allerdings wurden weiterhin Dissidenten verhaftet und der wirtschaftliche Aufschwung trug zu Vetternwirtschaft und Korruption bei. Während es der Elite gutging, trieb eine Dürre die arme Bevölkerung aus den ländlichen Gebieten in Slums, von wo aus die Protestbewegung des "Arabische Frühlings" hervorging, in dem die Syrer mehr Teilhabe und Demokratie forderten. Assad bezeichnete den Aufstand indes als eine vom Ausland unterstützte Verschwörung gegen einen stolzen arabischen Staat, der sich gegen die USA und ihre Verbündeten im Nahen Osten, insbesondere Israel, stellte. Und er ging hart gegen seine Gegner vor.

Während der Iran Assad zur Seite stand, versäumten es die USA, ihre eigene "rote Linie" durchzusetzen, die der damalige Präsident Barack Obama 2012 gegen den Einsatz von Chemiewaffen festgelegt hatte. Von den USA unterstütze Untersuchungen hatten ergeben, dass der syrische Staat unter anderem Sarin und Chlor gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt hat. So starben bei einem Gasangriff im Jahr 2013 in der Region Ghouta Hunderte Menschen. Die USA hatten für einen solchen Fall zwar einen Militärschlag angekündigt. Nach einer Vermittlung durch Russland, bei der die Vernichtung syrischer Chemiewaffen vereinbart wurde, kam es dazu aber nicht. Mit Hilfe der russischen Luftwaffe und vom Iran unterstützten Milizen eroberte Assad in den Jahren darauf den Großteil Syriens zurück, teils durch schwere Bombardements und einen Belagerungskrieg.

Rückhalt hatte Assad bei Syrern, die glaubten, dass er ihr Land vor Aufständischen rettete, die ihn durch eine sunnitisch-islamistische Hardliner-Herrschaft ablösen wollten. Als sich dann die Islamisten der Al-Kaida verstärkt in dem Bürgerkrieg einmischten, schwang diese Sorge auch bei Minderheiten mit, darunter den Alawiten, die das Rückgrat von Assads Herrschaft über das mehrheitlich sunnitische Land bildete.

Auch in den Jahren danach wurde Beobachtern zufolge weiter Giftgas in Rebellengebieten eingesetzt. Assad wies solche Anschuldigungen, stets zurück und bestritt auch, dass seine Armee Fassbomben abgeworfen habe - mit Sprengstoff gefüllte Fässer, die wenig zielgenau sind, aber verheerende Folgen in einem größeren Gebiet anrichten können.

Als die Kämpfe in der Zeit danach abflauten, beschuldigte Assad Feinde Syriens, sich der wirtschaftlichen Kriegsführung zuzuwenden. Nach dem tödlichen Erdbeben vom 6. Februar dieses Jahres in Teilen Syriens und der Türkei begannen arabische Staaten, die einst seine Gegner unterstützten, Assad dann wieder die Tür zu öffnen.

(Bericht von Tom Perry, Laila Bassam und Maya Gebeily; geschrieben von Ralf Bode. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)