Reuters

Ukraine - Rücken auf Bachmut vor und wollen Russen einkesseln

22.05.2023
um 16:02 Uhr

Kiew (Reuters) - Die ukrainische Armee rückt nach Angaben der Regierung in Kiew auf Bachmut vor und will die russischen Truppen in der zerstörten Stadt einkesseln.

"Durch unsere Bewegung an den Flanken ? nach Norden und Süden ? gelingt es uns, den Feind zu vernichten", sagte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Montag im Fernsehen. Sie widersprach erneut der Darstellung Russlands vom Samstag, die im Osten der Ukraine gelegene Stadt sei vollständig erobert. Die ukrainischen Soldaten hätten noch immer einen kleinen Stützpunkt in der Stadt, sagte Maljar. Sie räumte ein, dass die Intensität des eigenen Vormarsches abgenommen habe und Russland mehr Truppen in die Region schicke. Durch die Bewegung entlang der Flanken und die Besetzung bestimmter Höhen hätten es die ukrainischen Streitkräfte dem Feind aber sehr schwer gemacht, in der Stadt selbst zu bleiben.

Die Schlacht um Bachmut ist die schwerste sei Ende des Zweiten Weltkrieges. Russland hat die Einnahme der Stadt und damit den ersten bedeutenden Etappensieg seit mehr als zehn Monaten erklärt. Die Ukraine widerspricht dem. Doch selbst wenn die russischen Truppen in Bachmut voranrückten, zogen sie sich am Stadtrand im Norden und Süden so rasch zurück wie seit sechs Monaten nicht mehr. Das bot beiden Seiten Anlass zu der Annahme, dass sich die Dynamik der Schlacht zu ihren Gunsten verlagert habe. So erklärt Russland, die Eroberung ebne den Weg für weitere Vorstöße im Osten der Ukraine. Die Ukraine argumentiert, ihr Vormarsch an den Flanken sei bedeutungsvoller als ihr Rückzug innerhalb der Stadt. Zudem schwäche die Verstärkung für die russischen Einheiten in Bachmut diese an anderer Stelle.

Maljar sagte, die ukrainischen Streitkräfte rückten immer noch vor, vor allem südlich von Bachmut, obwohl die Intensität der Kämpfe an der Nordflanke vorerst nachgelassen habe. Reuters konnte die Situation vor Ort nicht unabhängig überprüfen. Maljar sagte auch, ukrainische Truppen seien noch immer in der Stadt selbst. Unabhängige Beobachter schätzen aber, dass ihre Präsenz dort nicht wesentlich sein dürfte. "Söldner der Wagner-Gruppe sicherten wahrscheinlich die westlichen Verwaltungsgrenzen der Stadt Bachmut, während die ukrainischen Streitkräfte vor allem weiterhin Gegenangriffe auf die Außenbezirke von Bachmut führen", erklärte das Institute for the Study of War.

ABZUG BIS 1. JUNI

Der Kampf um Bachmut wurde bislang vor allem von den Wagner-Söldnern des Unternehmers Jewgeni Prigoschin geführt. Dieser warf der russischen Militärführung und Verteidigungsminister Sergej Schoigu wiederholt Inkompetenz vor. Russlands Truppen vor Ort kritisierte er, sie gäben ihre Flanken auf, obwohl seine Söldner vorrückten. Am Montag teilte Prigoschin mit, seine Einheiten würden nach der Einnahme Bachmuts vom 25. Mai bis zum 1. Juni abrücken. Bachmut sei erfolgreich erobert worden. Die Stadt solle nach dem Abzug seiner eigenen Einheiten vollständig an die regulären russischen Truppen übergeben werden.

Die Führung in Moskau hat die Einnahme Bachmuts immer wieder als wichtiges strategisches Ziel dargestellt, um die Kontrolle über den industriell geprägten Donbass in der Ostukraine zu sichern. Die Ukraine dagegen stellt die inzwischen praktisch zerstörte Stadt als "Mausefalle" für die russischen Truppen dar, die vor allem wichtig ist, weil die Schlacht um Bachmut die Möglichkeit biete, die angreifenden Streitkräfte in großer Zahl zu vernichten. Acht Monate dauert der Kampf um Bachmut bereits. Heute ist die Stadt, in der einst 70.000 Menschen wohnten und viele von ihnen vom Bergbau lebten, eine Trümmerlandschaft.

Unterdessen warf der Gouverneur der russischen Region Belgorod der Ukraine vor, Saboteure über die Grenze zu schicken. Diese hätten den Bezirk Graiworon und damit russisches Territorium erreicht. Die russischen Sicherheitskräfte und die Armee ergriffen Maßnahmen, um den Einfall abzuwehren und den Feind zu eliminieren. Zuvor hat der mit den russischen Sicherheitsdiensten verbundene Telegram-Kanal Basa Aufnahmen veröffentlicht, die einen Angriff eines ukrainischen Panzers auf einen russischen Grenzposten zeigen sollen.

Die Ukraine wies die Verantwortung zurück. Auf Twitter schrieb Präsidentenberater Mychailo Podoljak, es gebe Guerilla-Gruppen in Russland, die aus russischen Bürgern bestünden. Der ukrainische Militärgeheimdienst geht einem Medienbericht zufolge davon aus, dass Mitglieder einer russischen paramilitärischen Gruppe hinter Angriffen auf die russische Region Belgorod stecken. Diese grenzt an die Ukraine, ihre gleichnamige Hauptstadt liegt nur wenige Kilometer entfernt von der ukrainischen Stadt Charkiw.

(Bericht von: Olena Harmash, Felix Hoske, Dan Peleschuk; geschrieben von Sabine Ehrhardt; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)