Reuters

Europäischer Gipfel in Moldau im Zeichen des Ukraine-Kriegs

01.06.2023
um 13:42 Uhr

(durchweg neu)

Bulboaca (Reuters) - Bei einem Treffen Dutzender Staats- und Regierungschefs europäischer Länder in der Republik Moldau hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf die Aufnahme seines Landes in die Nato und die EU gedrungen.

"Dieses Jahr ist ein Jahr der Entscheidungen", sagte Selenskyj am Donnerstag beim Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Bulboaca. Das noch junge Diplomatie-Format will EU-Diplomaten zufolge mit dem Treffen im Nachbarland der Ukraine ein Zeichen der Solidarität mit Moldau setzen, wo die Furcht vor einer Einmischung Russlands wächst. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem "Bekenntnis zu einer europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung, die die Unverletzlichkeit der Grenzen anerkennt".

"Im Sommer wird auf dem Nato-Gipfel in Vilnius eine klare Einladung an die Ukraine benötigt", sagte Selenskyj. Bis dahin seien Sicherheitsgarantien notwendig. "Im (Herbst) ist eine klare, positive Entscheidung über unseren Beitritt zur EU erforderlich." Selenskyj appellierte zudem an die mehr als 40 Staats- und Regierungschefs beim EPG-Treffen, eine Koalition zur Lieferung von Patriot-Flugabwehrsystemen und Kampfjets an die Ukraine zu bilden. Die Regierung in Kiew erhofft sich davon mehr Schlagkraft bei der Verteidigung gegen Russland, das vor gut 15 Monaten in die Ukraine einmarschiert war.

Selenskyj betonte die Verbundenheit mit Moldau, das wie die Ukraine einst zur Sowjetunion gehörte, auch in die EU strebt und vor allem zu Beginn des Kriegs in der Ukraine zahlreiche Flüchtlinge aufgenommen hat. "Das werden wir nie vergessen", sagte er bei einem gemeinsamen Statement mit der moldawischen Präsidentin Maia Sandu. Moldau richtet das EPG-Treffen in einem Schloss aus, das nur rund 20 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt und in der Nähe der abtrünnigen Region Transnistrien liegt. Dort sind seit Anfang der 1990er Jahre russische Truppen stationiert. In der moldawischen Hauptstadt Chisinau wechselt seit Jahren die politische Macht zwischen pro-russischen und pro-westlichen Parteien.

KRITIK VON RUSSISCHEM GEHEIMDIENSTSCHEF

Kritische Stimmen zu dem Gipfel in Moldau, das im Westen an das EU- und Nato-Land Rumänien grenzt, kamen in Russland vom Chef des Geheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow. Er sagte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, der Westen versuche Moldawien dazu zu drängen, sich aktiv an dem Konflikt in der Ukraine zu beteiligen.

Bundeskanzler Scholz sagte, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein zentrales Thema bei dem Treffen in Moldau. "Europa ist einig in seiner Unterstützung der Ukraine bei der Verteidigung des eigenen Landes", so Scholz. "Deutschland leistet dabei einen ganz herausragenden Beitrag." Zur EPG erklärte Scholz, diese sei neben den traditionellen Strukturen wie dem Europarat, der OSZE und der EU ein Beitrag für eine gute gemeinsame Entwicklung Europas.

Die EPG ist ein noch junges Format, das dem Austausch vor allem der 27 EU-Staaten mit Regierungen dienen soll, die nicht in der EU sind. Dazu gehören neben der Ukraine und Moldau auch die Türkei und Großbritannien. Die unverbindliche Gesprächsrunde mit fast 50 Staats- und Regierungschefs geht auf eine Anregung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bald nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine zurück. Die EPG hat sich im Oktober 2022 erstmals getroffen. Der symbolträchtige Gipfel in Moldau am Donnerstag und Freitag wird nach Angaben der Nato von Awacs-Überwachungsflugzeugen geschützt. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar 2022 sind bereits mehrmals Raketentrümmer in Moldau gefunden worden.

AUCH KONFLIKT ZWISCHEN ARMENIEN UND ASERBAIDSCHAN THEMA

Weiteres Thema beim EPG-Gipfel ist der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte, er hoffe der Gipfel könne Anlass geben, den Willen für eine Konfliktlösung zu demonstrieren. Bei Begegnungen mit den Staats- und Regierungschefs beider Länder in Brüssel habe es einige Fortschritte gegeben.

In dem seit Jahrzehnten schwelenden Streit der beiden Ex-Sowjetrepubliken um die Region Bergkarabach hatte Armenien Ende Mai Aserbaidschan einen Lösungsvorschlag unterbreitet. Armenien erklärte sich bereit, die Enklave als Teil Aserbaidschans anzuerkennen. Bedingung sei, dass Aserbaidschan die Sicherheit der armenischen Bevölkerung garantiere. Die überwiegend von Armeniern bewohnte Enklave zählt aus UN-Sicht zu Aserbaidschan. Sie hat 1991 ihre Unabhängigkeit von der Regierung in Baku erklärt.

(Bericht von John Irish und Andrew Gray; Mitarbeit von Alezander Tanas, Olena Harmash, Bart Meijer und Elke Ahlswede; redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)