Reuters

DIW-Chef für EZB-Strategiewechsel - Quantitatives Inflationsziel aufgeben

02.06.2023
um 09:42 Uhr

Berlin (Reuters) - Der Berliner Top-Ökonom Marcel Fratzscher schlägt der EZB einen Strategiewechsel bei der Bekämpfung der Inflation vor.

Die US-Notenbank habe mit ihrem dualen Mandat von Preisstabilität und Vollbeschäftigung deutlich mehr Flexibilität als die EZB, die sich auf ein symmetrisches Mandat von zwei Prozent Inflation in der mittleren Frist festgelegt hat: "Viele Zentralbanken werden sich weiter schwertun, Preisstabilität zu erreichen. Die EZB sollte ihr quantitatives Inflationsziel daher besser aufgeben", schreibt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" (Freitag).

Pandemie, Energiekrise und Bankenprobleme zeigten eindrucksvoll das Ausmaß, in dem Zentralbanken mehr und mehr die Kontrolle über ihr Mandat der Preisstabilität verlören. Diese Zeiten multipler Krisen in einer zunehmend global vernetzten Wirtschaft erforderten ein Umdenken.

Klüger wäre es aus Sicht des Forschers, ein quantitatives Inflationsziel aufzugeben und Finanzstabilität viel expliziter in der Strategie zu verankern. Eine Inflationsrate von beispielsweise drei Prozent sei per se wirtschaftlich nicht schädlich, solange Währungshüter auch kommunizierten, dass sie mit einer solchen Inflationsrate einverstanden seien und sich wirtschaftliche Akteure auf eine stabile Inflationsrate und Finanzierungsbedingungen verlassen könnten. Es sei eine Anpassung der geldpolitischen Strategie erforderlich: "Je früher die Zentralbanken damit beginnen, desto besser."

Fratzscher, der einst für die Europäische Zentralbank (EZB) tätig war, steht mit seinen Vorschlägen im Kontrast zu den jüngsten Äußerungen von EZB-Chefin Christine Lagarde. Diese betonte: "Wir werden ? entschlossen und unbeirrt ? weitermachen, bis wir sehen, dass die Inflation zeitnah zu unserem mittelfristigen Ziel von 2 Prozent zurückkehrt."

(Bericht von Reinhard Becker.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)