Reuters

Ampel weicht Vorgaben im Heizungsgesetz auf

14.06.2023
um 07:17 Uhr

- von Andreas Rinke und Holger Hansen und Alexander Ratz

Berlin (Reuters) - Das umstrittene Gesetz für einen Umstieg auf klimafreundliche Heizungen wird für Bestandsgebäude vorerst abgeschwächt.

Darauf verständigten sich die Spitzen der Ampel-Koalition am Dienstag nach langem Streit, um damit eine parlamentarische Beratung und den Weg für eine Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause zu ebnen. Die Vorgabe eines Anteils von 65 Prozent erneuerbarer Energie soll beim Heizungsaustausch in Kommunen erst greifen, wenn diese eine verbindliche Wärmeplanung vorgelegt haben. Dies werde bundesweit bis 2028 angestrebt. FDP-Fraktionschef Christian Dürr zeigte sich sehr zufrieden, nachdem seine Fraktion bisher gebremst hatte. Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, es gebe keine Abstriche beim Klimaschutz. Die Grünen und die SPD erhielten von der FDP die Zusage, dass es noch mehr Fördergelder beim Umstieg auf klimafreundliche Heizungen geben soll. Viele Einzelheiten bleiben aber ungeklärt. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) erklärte deshalb: "Was vorliegt, ist politische Prosa, aber das ist kein Gesetzentwurf."

Der Knoten in dem monatelangen Streit wurde erst bei einem kurzfristig anberaumten Krisentreffen unter Hinzuziehung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durchschlagen, das am Rande der Fraktionssitzungen in Reichstag stattfand. Am Vormittag hatten die Parlamentarischen Geschäftsführer der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP noch keine Einigung erzielt. Auch die Vereinbarung der Ampel-Spitzen lässt noch viele Details etwa zur sozialen Förderung offen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach von "Leitplanken". Mit den Änderungen werde mehr Verlässlichkeit geschaffen. Sowohl Kanzler Scholz als auch FDP-Chef Lindner begrüßten die Einigung. "Aus meiner Sicht ist dies ein wirklich wichtiger Schritt", sagte der SPD-Politiker am Abend. "Es zeigt die Stärke dieser Koalition, weil sie sich nicht mit Formelkompromissen zufrieden gibt", betonte der Finanzminister.

KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG WIRD ZENTRALER BESTANDTEIL PLANUNG

Wichtigste Änderung ist, dass für Bestandsbauten die Regeln des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) an die Wärmeplanung der Kommunen gekoppelt werden. Diese gibt es vielen Städten und Gemeinden noch nicht verbindlich. Bundesweit soll sie bis 2028 vorliegen, ein entsprechendes Gesetz bereitet die Bundesregierung gerade vor. Damit wird die Voraussetzung geschaffen, dass Hauseigentümer beim Heizungstausch die Optionen abwägen können - etwa ob sie auf eine Wärmepumpe umsteigen oder sie sich stattdessen an ein Fernwärmenetz anschließen können oder eine gasbetriebene Heizung einbauen, die auf Wasserstoff umrüstbar ist. In Neubaugebieten greife das GEG unverändert ab dem 1. Januar 2024, heißt es in der zweiseitigen Vereinbarung.

FDP POCHTE AUF ÄNDERUNGEN

Vor allem die FDP hatte auf Änderungen am Gesetzentwurf gepocht, der unter Federführung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) entstanden und im April vom Kabinett auf den Weg gebracht worden war. "Es freut mich, dass wir innerhalb der Koalition fundamentale Änderungen am Gesetzentwurf vereinbaren konnten", nahm Dürr für sich in Anspruch. Für die FDP seien die Koppelung an die Wärmeplanung und die Technologieoffenheit vor allem wichtig gewesen.

Habeck erklärte: "Das Gebäudeenergiegesetz kommt, der Kern ist gewahrt." Die Einigung gebe "die Chance, die Debatte zu befrieden und den gesellschaftlichen Rückhalt für Klimaschutz zu stärken". Dröge sprach von einem "Meilenstein für mehr Klimaschutz, aber auch ein wichtiges Gesetz für mehr soziale Gerechtigkeit". Sie machte auch deutlich, dass es sich um "Leitlinien" für die weiteren Beratungen im Bundestag handele.

Für Mieter und Mieterinnen soll es laut Dröge noch Verbesserungen geben, und bei den Förderprogrammen beim Einbau neuer Heizungen sollten soziale Härten und die Mitte der Gesellschaft "noch einmal besonders" adressiert werden. Bisher werde die Förderung auf jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds des Bundes veranschlagt, sagte Dröge: "Es gibt den klaren Willen aller drei Ampel-Partner, dass wir hier über die Förderprogramme der Bundesregierung einen weiteren Schritt hinaus machen wollen."

In der CDU/CSU-Fraktion wurden die Änderungen begrüßt, aber als nicht weitreichend genug kritisiert. Fraktionschef Merz erklärte, Habeck "erlebt zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres, dass ihm die Ampel-Fraktionen (...) vollkommen verkorkste Gesetzentwürfe aus der Hand nehmen". Die Kopplung an eine verbindliche Wärmeplanung sei "ein erster Schritt in die richtige Richtung", erklärte der baupolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jan-Marco Luczak (CDU). Eine wirkliche Technologieoffenheit bei der Wärmewende werde aber noch nicht gewährleistet. Der Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW) erklärte, die vereinbarten Änderungen "verbessern das Gesetz entscheidend".

(Redigiert von Scot W. StevensonBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)