Reuters

Söldnerchef Prigoschin offenbar bei Flugzeugabsturz getötet

24.08.2023
um 07:57 Uhr

(Neu: Details Embraer, 2. Flugzeug, Reax Biden, Strack-Zimmermann und Selenskyj-Berater)

- von Andrew Osborn und Maxim Rodionov

Moskau (Reuters) - Der russische Söldnerchef Jewgeni Prigoschin ist offenbar bei einem Flugzeugabsturz nördlich von Moskau ums Leben gekommen.

Die Luftfahrtbehörde Rosawiatsia listete ihn wie auch den Kommandeur der Wagner-Gruppe Dmitri Utkin unter den zehn Menschen an Bord der Embraer-Maschine auf. Zuvor hatte das Katastrophenschutz-Ministerium erklärt, es gebe nach ersten Erkenntnissen keine Überlebenden. Eine offizielle Bestätigung für Prigoschins Tod lag jedoch zunächst nicht vor. Auch eine Stellungnahme der Regierung von Präsident Wladimir Putin stand aus. Prigoschin war bei Putin nach der von ihm angeführten Revolte am 23. und 24. Juni in Ungnade gefallen.

Rosawiatsia zufolge stürzte das Flugzeug in der Region Twer ab. Die Maschine sei auf dem Flug von Moskau nach St. Petersburg gewesen. Auf einem mit der Wagner-Gruppe verbundenen Telegram-Kanal hieß es, Prigoschin sei tot. Der "Held Russlands" und "wahre Patriot" sei "infolge der Handlungen von Verrätern an Russland" ums Leben gekommen, hieß es in einem Beitrag auf Grey Zone. "Aber selbst in der Hölle wird er der Beste sein!" Der Tod von Prigoschin und Utkin - sollte er bestätigt werden - lässt die Wagner-Gruppe ohne klare Führung zurück.

VERWIRRUNG UM ZWEITES FLUGZEUG

Es ist noch unklar, ob sich Prigoschin tatsächlich auf dem abgestürzten Flugzeug befand. Ein weiteres Privatflugzeug, das Prigoschin zugeordnet wird und laut Flugdaten ebenfalls auf dem Weg nach St. Petersburg war, kehrte nach dem Absturz des ersten Flugzeugs um und landete später in Moskau. Unbestätigten Berichten russischer Medien zufolge nahmen Prigoschin und seine Mitarbeiter an einem Treffen mit Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums teil. Reuters konnte dies nicht verifizieren, auch vom Verteidigungsministerium war zunächst keine Bestätigung zu erhalten. Am Montag hatte sich der Wagner-Chef in seiner ersten veröffentlichten Video-Ansprache seit der Rebellion der Söldner-Gruppe in einem Wüstengebiet gezeigt und um Rekruten in Afrika geworben. Reuters konnte nicht feststellen, wo und wann das Video aufgenommen wurde.

Das abgestürzte Flugzeug vom Typ Embraer Legacy 600 verzeichnete laut der Website International Aviation HQ in über 20 Jahren nur einen einzigen Unfall, der auf Fehler der Besatzung und nicht auf mechanisches Versagen zurückzuführen war. Embraer erklärte, dass das Unternehmen die gegen Russland verhängten internationalen Sanktionen einhalte und seit 2019 keine Wartungsarbeiten an dem Flugzeug durchführt habe. Den Flugdaten zufolge zeigte die Maschine bis zu einem abrupten Absturz in den letzten 30 Sekunden keine Anzeichen eines Problems. In den russischen Medien wird spekuliert, das Flugzeug sei möglicherweise von einer oder mehrerer Boden-Luft-Raketen abgeschossen worden. Reuters konnte die Berichte nicht bestätigen.

BIDEN - "NICHT ÜBERRASCHT"

Das US-Präsidialamt informierte Präsident Joe Biden über den Absturz. "Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Aber ich bin nicht überrascht... Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem nicht Putin steckt, aber ich weiß nicht genug, um die Antwort zu kennen", sagte Biden. "Prigoschin hat in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben", sagte Mychajlo Podoljak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, unter Verweis auf den Aufstand der Söldner-Gruppe gegen den Kreml vor genau zwei Monaten der Zeitung "Bild". Eine solche demonstrative Beseitigung, wenn sie denn stattgefunden habe, sei ein direktes Signal an die Eliten, dass die brutalen Morde an den eigenen Leuten in Russland beginnen. "Damit sende Moskau auch ein Signal an die eigene Armee, "dass es dort wirklich keine Helden gibt und dass jede Illoyalität mit dem Tod bestraft wird".

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), ist vom mutmaßlichen Tod des Wagner-Chefs nicht überrascht. "Die Nachricht ist nicht wirklich erstaunlich", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Dass Prigoschin seinen Angriff auf Putin mit dem Leben bezahlen wird, davon war auszugehen: Ein Teufel, der sich mit dem Teufel einlässt." Es zeige aber auch, dass offensichtlich große Nervosität bei Putin und seinen Schergen im Kreml herrsche.

MACHTKAMPF PRIGOSCHIN-PUTIN IM JUNI

Prigoschins Kämpfer hatten bei dem Aufstand im Juni die südrussische Millionenstadt Rostow am Don eingenommen und bewegten sich danach auf Moskau zu, um nach eigenen Angaben mit Betrug, Korruption und Bürokratie aufzuräumen. Bereits zuvor hatte Prigoschin monatelang die russische Militärführung kritisiert und ihr unter anderem vorgeworfen, seine in der Ukraine eingesetzten Kämpfer würden nicht ausreichend mit Munition versorgt.

Putin warf Prigoschin nach dem offenen Aufstand im Fernsehen Verrat vor und kündigte an, jeder, der die Waffen gegen die Armee erhebe, werde bestraft. Der Machtkampf zwischen Progoschin und Putin wurde nach zwei Tagen unter Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko beendet. Demnach erklärte sich Prigoschin dazu bereit, nach Belarus zu gehen. Im Gegenzug wurde keine Anklage gegen den Söldnerführer in Russland erhoben. Prigoschin und seinen Kämpfern sei Straffreiheit zugesichert worden, sagte damals Regierungssprecher Dmitri Peskow.

Die von Prigoschin und Dmitri Utkin nach eigenen Angaben 2014 gegründete Söldner-Gruppe Wagner erlaubte es Russland, sich indirekt an zahlreichen Konflikten wie denen in Syrien, Mali, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik zu beteiligen. Im Ukraine-Krieg waren die Kämpfer für die russische Armee vor allem an der Ostfront eine wichtige Stütze.

(Geschrieben von Scot W. Stevenson, Hans Busemann und Katharina Loesche, redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)