Reuters

Ampel einigt sich auf 2,4 Milliarden Euro für Kindergrundsicherung

28.08.2023
um 10:07 Uhr

- von Holger Hansen und Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die Ampel-Koalition hat sich auf die Eckpunkte bei der Kindergrundsicherung geeinigt.

Nach dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Papier sind ab 2025 Mehrausgaben von zunächst etwa 2,4 Milliarden Euro eingeplant. Die Ausgaben werden in der Folge aber weiter steigen, weil zudem das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum neu berechnet werden soll. Dieses ist ausschlaggebend für die Höhe des Bürgergeldes. "Damit wird der Bedarf für Kinder an die aktuelle Lebenswirklichkeit angepasst", heißt es in dem Papier. "In der Folge werden sich die Regelbedarfe im Kinderzusatzbetrag erhöhen."

Kanzler Olaf Scholz (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten in der Nacht zu Montag eine Grundsatzeinigung in dem seit Monaten in der Ampel-Koalition schwelenden Streit erzielt. Lindner hatte am Sonntag nochmals betont, dass er nicht über die im Haushaltsentwurf vorgesehenen zwei Milliarden Euro zusätzlich hinausgehen wolle. Mit dem Kompromiss dürfte auch der Weg für Lindners geplante milliardenschwere steuerliche Entlastung für die Wirtschaft frei sei. Familienministerin Paus hatte das in der Regierung bereits vereinbarte Wachstumschancengesetz zuletzt blockiert und damit Verärgerung bei SPD und FDP, aber teilweise auch bei den Grünen selbst ausgelöst.

Lindner, Paus und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollen die Einigung zur Kindergrundsicherung noch am Vormittag in Berlin vorstellen. Kanzler Scholz hatte eine Einigung auf jeden Fall vor der am Dienstag beginnenden zweitägigen Kabinettsklausur in Meseberg erreichen wollen.

In der Ampel wurde die Einigung begrüßt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte die Regierung in der ARD aber, jetzt auch wirklich schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen. Mit Blick auf frühere Verzögerungen bei Gesetzesvorhaben sagte er: "Wir sind manchmal auch gebrannte Kinder, selbst in der Koalition". Mützenich kündigte zugleich Änderungen am erwarteten Gesetzentwurf an. "Wir werden mit Sicherheit als selbstbewusstes Parlament, aber auch als selbstbewusste SPD-Fraktion das ein oder andere möglicherweise am Gesetzentwurf noch einmal modifizieren", betonte er.

Neben dem Streit um die Höhe der Zuwendungen an Eltern geht es auch darum, wie man die auf Kinder bezogenen Leistungen für ärmere Familien besser bündeln kann. Die Ampel-Koalition hatte in dieser Legislaturperiode bereits das Kindergeld erhöht und einen Kinderzuschlag für Eltern mit geringen Gehältern eingeführt. Dieser Zuschlag ist altersgestaffelt und vom Einkommen abhängig. Lindner hatte argumentiert, dass immer mehr Geld für die Eltern die Lage der Kinder nicht unbedingt verbessere.

STREIT AUCH ÜBER INDUSTRIESTROMPREIS UND MIETRECHT

In der Koalition deutete sich allerdings bereits neuer Streit an. So griff SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert die FDP am Montag scharf an und warf Justizminister Marco Buschmann eine Blockade des in der Koalition vereinbarten besseren Mieterschutzes vor. "Seit mehr als eineinhalb Jahren steht das im Koalitionsvertrag, seit mehr als eineinhalb Jahren sitzt Justizminister Buschmann das Ganze aus", sagte Kühnert am Montag gegenüber Radio eins. Der FDP-Politiker nehme den Mieterschutz "in Geiselhaft", weil er Streit mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorratsdatenspeicherung habe. "Der Justizminister kostet die Mieterinnen und Mieter in Deutschland Geld", kritisierte der SPD-Politiker.

Hintergrund ist ein seit Monaten laufender Streit, bei dem auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) den Justizminister mehrfach aufgefordert hatte, endlich wie im Koalitionsvertrag vereinbart aktiv zu werden. Das Mietrecht fällt in die Zuständigkeit des Justizministeriums.

Um Druck zu machen, will die SPD-Bundestagsfraktion heute bei ihrer Klausurtagung in Wiesbaden ein Konzept beschließen, nach dem in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt für drei Jahre eine maximale Mietsteigerung von nur noch sechs Prozent bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erlaubt sein soll.

Bei der Kabinettsklausur in Meseberg soll auch geklärt werden, wie die Regierung bei dem von SPD, Grünen, Gewerkschaften und etlichen Wirtschaftsvertretern geforderten Industriestrompreis vorgehen will. Kanzler Scholz sieht ihn kritisch, die FDP lehnt ihn ab. Die SPD-Fraktion fordert dagegen für zunächst fünf Jahre einen subventionierten Strompreis für einige energieintensive Unternehmen von fünf Cent pro Kilowattstunde.

(Bericht von Holger Hansen, Andreas Rinke, Christian Krämer; redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)