Reuters

Ampel einig über Wirtschaftspaket - aber nicht über Industriestrompreis

30.08.2023
um 17:02 Uhr

- von Andreas Rinke und Christian Krämer

Meseberg (Reuters) - Die Bundesregierung will mit einem Bündel an Reformmaßnahmen die lahmende Wirtschaft wieder in Gang bringen.

Das Kabinett beschloss am Mittwoch zum Abschluss seiner Klausurtagung im brandenburgischen Meseberg sowohl steuerliche Entlastungen für Firmen im Umfang von rund sieben Milliarden Euro jährlich als auch Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz, das eine Kostensenkung von 2,3 Milliarden Euro bringen soll. Zudem soll eine Nationale Datenstrategie Daten etwa für die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz besser nutzbar machen. Mit diesem Maßnahmen-Paket wolle man die Investitionsbremsen in Deutschland lösen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. "Wir sorgen dafür, dass es sich für unsere Wirtschaft lohnt, genau jetzt zu investieren", schrieb er auf der Plattform X, ehemals Twitter.

Bereits am Dienstag hatte die Ampel-Koalition einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der allerdings auch bereits beschlossene Reformen wie das Zukunftsinvestitionsgesetz enthielt. Eine Entscheidung über die etwa von den Grünen und der SPD-Bundestagsfraktion geforderte Einführung eines Industriestrompreises zur Entlastung energieintensiver Unternehmen wurde in Meseberg erneut verschoben. Die FDP und auch Scholz lehnen ihn ab. Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wichen bei der der abschließenden Pressekonferenz Fragen zu dem Thema am Mittwoch aus.

Habeck räumte ein, dass "der Druck auf Gesellschaft und Politik sehr, sehr hoch" ist. Man müsse aufpassen, dass aus Zweifeln nicht Angst und aus Angst nicht Angst-Macherei würden. Daraus entstehe dann Populismus, der aber keine Lösungen für Probleme anzubieten habe. "Diese Regierung kennt die Lage im Land, sie kennt die Lage in der Wirtschaft", bekräftigte Lindner. Ob sein Wachstumschancengesetz allerdings mit dem geplanten Entlastungsvolumen von rund sieben Milliarden Euro wirklich umgesetzt werden kann, ist offen. Grund ist, dass Länder und Kommunen den größten Teil der Steuerausfälle zu verkraften hätten. Lindner räumte ein, dass einige Bundesländer bereits Einspruch gegen das im Bundesrat zustimmungspflichtige Gesetz erhoben hätten. Er mahnte, dass Länder und Kommunen aber ebenfalls ein Interesse haben müssten, die wirtschaftliche Basis in Deutschland zu erhalten.

KRITIK AN BESCHLÜSSEN

Der Deutsche Städtetag bezeichnete den Kabinetts-Beschluss zum Wachstumschancengesetz dennoch als "echte Hiobsbotschaft für die Städte" und warnte vor einem Einbruch bei den kommunalen Investitionen. "Wenn das Wachstumschancengesetz so kommt, wie es jetzt geplant ist, bedeutet das für die Kommunen voraussichtlich bundesweit Steuerausfälle von mehr als sieben Milliarden Euro", sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der Funke-Mediengruppe.

Umstritten sind auch die Eckpunkte von Justizminister Marco Buschmann (FDP) für ein Bürokratieentlastungsgesetz. Während aus der SPD Zustimmung kam, forderte der rechtspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, Buschmann auf, von der Ankündigungspolitik zur Umsetzung zu kommen. "Bloße Eckpunkte zum Bürokratieabbau helfen weder der Wirtschaft noch den Bürgerinnen und Bürgern", sagte Krings. "Bisher kündigen die Minister Buschmann und Habeck derartige Projekte nur an." Das Entlastungsgesetz soll erst im kommenden Jahr in Kraft treten. 2023 will der FDP-Politiker nur einen Gesetzentwurf vorlegen.

Die Wirtschaft forderte eine schnelle Umsetzung der Meseberger Beschlüsse. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger begrüßte die Reformen, mahnte aber: "Horrende Sozialausgaben, mangelnde Bildungsqualität, eine veraltete Arbeitszeitordnung, langsame Verwaltungsabläufe, defizitäre Kinderbetreuung ? diesen Ballast müssen wir dauerhaft abwerfen, um unseren Wirtschaftsstandort erfolgreich wiederzubeleben." Ähnlich äußerte sich der Industrieverband BDI. "Was in Meseberg beschlossen wurde, geht in die richtige Richtung, reicht aber bei Weitem nicht aus", sagte Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner etwa mit Blick auf die steuerlichen Entlastungen. "Das Ausbleiben von jeglichem Instrument, das in der aktuell schwierigen Lage Stromkostenbelastungen reduziert, ist fatal."

Lindner kündigte in Meseberg zudem an, dass die Bundesregierung 2024 die technischen Voraussetzungen geschaffen haben will, um Bürgerinnen und Bürger das sogenannte Klimageld auszuzahlen. Damit will der Staat für die Bevölkerung einen finanziellen Ausgleich für den gewollten Anstieg des CO2-Preises schaffen.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)