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Stabilitätswächter rufen G20-Gipfel zur erhöhten Wachsamkeit auf

05.09.2023
um 14:17 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die globalen Stabilitätswächter haben die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder kurz vor ihrem Gipfeltreffen in Indien angesichts gestiegener Finanzrisiken zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen.

Die Erholung der Weltwirtschaft verliere an Schwung und die Auswirkungen des Zinsanstiegs in den großen Volkswirtschaften seien zunehmend zu spüren, schrieb der niederländische Notenbankchef und Vorsitzende des Finanzstabilitätsrats (FSB), Klaas Knot, in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an die G20-Gipfelteilnehmer. Zwar sei das Finanzsystem bislang dank starker Kapitalpuffer der Banken widerstandsfähig geblieben. Die Behörden müssten künftig aber die Qualität der Vermögenswerte in Bereichen wie dem Immobiliensektor, die am empfindlichsten auf Zinserhöhungen reagieren, genau beobachten.

Es müsse sichergestellt werden, dass die Anbieter von Finanzierungen in diesen Sektoren mit Risiken richtig umgingen und widerstandsfähig blieben, schrieb Knot in dem Brief. Das Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) findet am 9. und 10. September in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi statt. Der FSB überwacht im Auftrag der G20 die Risiken für das globale Finanzsystem und koordiniert die Ausarbeitung von internationalen Standards und Finanzregeln.

Die Turbulenzen im Bankensektor im März hätten Schwachstellen bei einzelnen Instituten aufgedeckt, wie etwa ein unzureichendes Liquiditäts- und Zinsrisikomanagement sowie eine mangelhafte Unternehmensführung. Die Notwendigkeit einer strengen und wirksamen Aufsicht durch die Behörden sei dadurch untermauert worden. Die Turbulenzen hätten auch lang gehegte Ansichten über die Beständigkeit von Spareinlagen und die Geschwindigkeit von Anstürmen auf Bankkonten infrage gestellt. Auch hinsichtlich der Rolle der sozialen Medien bei solchen Bankenstürmen hätten sich Fragen ergeben.

Die Zusammenbrüche der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank in den USA im März hatten weltweit Verwerfungen an den Börsen ausgelöst. Beide Regionalbanken hatten sehr hohe Anteile an ungesicherten Einlagen besessen. Ihr Kollaps ereignete sich, als ein Vertrauensverlust dazu führte, dass Kunden in kurzer Zeit Milliarden Dollar von ihren Konten abzogen. Der FSB will in Kürze einen Bericht dazu veröffentlichen, welche Lehren aus der Krise zu ziehen sind.

Im Blick hat der FSB Knot zufolge auch die zunehmende Bedeutung des Schattenbankensektors, heute meist als "NBFI" (Non-Bank Financial Intermediation) bezeichnet. Zu solchen Finanzfirmen abseits der traditionellen Banken zählen unter anderem Hedge- und Geldmarktfonds, alternative Investmentfonds und spezielle Börsenhändler. Inzwischen stehen sie für rund die Hälfte des weltweiten Finanzsystems. Sie bieten Finanzierungsmöglichkeiten an, die traditionelle Geldhäuser nicht abdecken. Zu den Risiken des Sektors zählen unter anderem, dass ihre Aktivitäten Börsenturbulenzen verstärken und im Extremfall die Stabilität des Finanzsystems untergraben können.

Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die G20-Länder vereinbarte Reformen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des NBFI-Sektors umsetzten, schrieb Knot in dem Brief. Der FSB werde mit den standardsetzenden Gremien zusammenarbeiten, um zu gegebener Zeit zu bewerten, ob umgesetzte Reformen die Risiken auch ausreichend adressiert haben. Knot zufolge soll dabei auch geschaut werden, ob womöglich zusätzliche Instrumente für die Aufseher entwickelt werden sollen.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Kerstin Dörr Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)