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Covestro öffnet Übernahmeinteressent Adnoc die Tür - Aktie hebt ab

11.09.2023
um 13:37 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Übernahmefantasien schicken die Aktien des Kunststoffkonzerns Covestro auf Höhenflug.

Die Anteilsscheine legten am Montag in der Spitze um mehr als vier Prozent auf 53,66 Euro zu und waren größter Gewinner im Leitindex Dax. Im Verlauf notierten sie noch rund 2,5 Prozent fester, nachdem sie bereits zum Wochenschluss fast acht Prozent gewonnen hatten. Covestro hatte am Freitag die Aufnahme von ergebnisoffenen Gesprächen mit Abu Dhabis staatlichem Ölkonzern Adnoc bestätigt, der Interesse an einer Übernahme des Leverkusener Unternehmens hat.

"Es ist sehr erfreulich, dass Covestro nun in die Verhandlungen mit Adnoc eingetreten ist. Das ist ein gutes Zeichen und zeigt, dass das Covestro-Management im Sinne der Eigentümer handelt", sagte Fondsmanager Arne Rautenberg von der Fondsgesellschaft Union Investment der Nachrichtenagentur Reuters. "Jetzt gilt es, sowohl den Angebotspreis als auch die strategische Ausrichtung, Standortgarantien etc. zu evaluieren." Die Fondsgesellschaft, die zu den 20 größten Anteilseignern von Covestro zählt, hatte sich Ende August zusammen mit einem weiteren Großaktionär - der anonym bleiben wollte - für formelle Gespräche der beiden Unternehmen ausgesprochen.

Das Interesse von Adnoc an Covestro war erstmals im Juni durchgesickert. Damals bot der Ölriese aus den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Insidern zufolge informell zunächst 55 Euro je Covestro-Aktie. Im Juli winkte Adnoc dann mit 57 Euro je Anteilsschein, stieß damit aber nicht auf Gegenliebe bei Covestro. Zuletzt signalisierte der Ölkonzern eine mögliche weitere Erhöhung auf 60 Euro je Aktie. Der Deal hätte ein Volumen von rund 11,6 Milliarden Euro. An der Börse waren viele Beobachter skeptisch, ob es wirklich zu einer formellen Offerte kommen werde, Analysten hatten aber 60 Euro je Aktie als möglichen Startpunkt für Gespräche gesehen. Covestro hatte sich zuvor nicht zu dem Übernahmeinteresse geäußert.

Das Covestro-Management betonte am Freitag, ob, in welcher Form und gegebenenfalls zu welchen Konditionen eine Vereinbarung zustande komme, sei offen und hänge vom Verlauf der bevorstehenden Gespräche ab. Analyst Markus Mayer von Baader Helvea geht bei einem potenziellen Kaufpreis von 70 Euro je Aktie von einer Übernahmewahrscheinlichkeit von 30 Prozent aus. "Mit den Nachrichten vom Freitag könnte sich diese Wahrscheinlichkeit erhöhen." Covestro will in den Gesprächen vor allem die weitere Umsetzung seiner Strategie einschließlich entsprechender Regelungen zur Corporate Governance thematisieren.

Die Gewerkschaft IG BCE pocht laut "Rheinischer Post" auf eine Sicherung der Beschäftigung. "Für die Covestro-Belegschaftsvertretungen und die IG BCE ist entscheidend, dass der Konzern jetzt nachhaltig zukunftsfest gemacht wird. Das gilt vor allem für Standorte und Beschäftigung", zitierte die Zeitung in ihrer Montagausgabe einen Sprecher. Die rund 7300 Beschäftigten von Covestro in Deutschland sind bis Ende 2028 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Weltweit sind es rund 18.000 Mitarbeiter.

Covestro ist die ehemalige Kunststofftochter von Bayer, die die Leverkusener 2015 an die Börse gebracht hatten. Eine Übernahme von Covestro würde dem Ölkonzern Adnoc, der auch Raffinerieprodukte und petrochemische Erzeugnisse herstellt, Zugang zu fortschrittlicheren Materialien verschaffen, die in Elektrofahrzeugen, Wärmedämmung für Gebäude sowie Beschichtungen, Klebstoffen und technischen Kunststoffen zum Einsatz kommen. Vorstandschef Sultan al-Jaber leitet den Vorstoß des Unternehmens in neue Energien, kohlenstoffarme Brennstoffe wie Ammoniak und Wasserstoff sowie Flüssigerdgas und Chemikalien.

(Bericht von Patricia Weiß, Mitarbeit von Andrey Sychev und Stefanie Geiger, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)