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OECD erwartet schwächere Weltwirtschaft - Problemfälle Deutschland und China

19.09.2023
um 13:57 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Weltwirtschaft wird laut OECD auch nächstes Jahr noch schwächeln und die Inflation hoch bleiben.

Die globale Wirtschaftsleistung dürfte 2023 um 3,0 Prozent zulegen, 2024 aber nur noch um 2,7 Prozent, teilte die Industriestaaten-Organisation am Dienstag in Paris mit. 2022 waren es noch 3,3 Prozent. Die Prognose für 2023 wurde um 0,3 Prozentpunkte erhöht, die für 2024 um 0,2 Zähler gesenkt. Ein wichtiger Grund für die mauen Aussichten sind die starken Zinserhöhungen der Notenbanken, um die Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Hohe Zinsen führen in der Regel zu weniger Investitionen, weil Finanzierungen schwieriger werden. In Deutschland ist dies derzeit in der Baubranche gut zu beobachten.

Außer Deutschland dürfte dieses Jahr nur das chronisch schuldengeplagte und auf internationale Finanzhilfen angewiesene Argentinien noch schrumpfen. Alle anderen großen Industriestaaten wachsen dagegen, auch das von umfangreichen Sanktionen belegte Russland. So schätzen die OECD-Experten, dass die deutsche Wirtschaft dieses Jahr um 0,2 Prozent zurückgeht. Im Juni wurde noch eine Stagnation für möglich gehalten. 2024 dürfte es dann für ein Wachstum von 0,9 Prozent reichen, weniger als bisher erwartet. Deutschland war lange besonders stark abhängig von günstigen Energielieferungen aus Russland, die seit dem Krieg in der Ukraine weitgehend weggefallen sind.

OECD-Chefökonomin Clare Lombardelli hält Deutschland trotzdem nicht für den "kranken Mann Europas", wie zuletzt in Medien getitelt wurde. Es gebe zwar Herausforderungen, aber auch viele Stärken. "Wir erwarten eine Erholung." Strukturreformen seien in vielen Industriestaaten nötig. In Deutschland müsse insbesondere die Einwanderung erleichtert werden, so OECD-Expertin Isabell Koske. Auch die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, älteren Menschen und gering qualifizierten Personen müsse verbessert werden, um den Fachkräftemangel zu bewältigen.

Die Politik habe Hausaufgaben zu erledigen, sagte DIW-Konjunkturexperte Timm Bönke. Es gebe einen Investitionsstau, etwa bei der Erneuerung der teils maroden Infrastruktur. Zudem komme die Digitalisierung nur im Schneckentempo voran. Und Deutschland hänge auch bei seinen Zielen für Ganztagsschulen und Kindergärten hinterher.

HARTNÄCKIGE INFLATION

Die Notenbanken rund um den Globus sollten laut OECD Kurs halten, bis es klare Anzeichen dafür gibt, dass der Preisdruck nachhaltig gewichen ist. Lombardelli sagte, die Inflation erweise sich als hartnäckiger als gedacht. "Wir sind noch nicht aus dem Gröbsten raus." Für die Regierungen bedeute dies, ihre hohen Schulden und stark gestiegenen Ausgaben anzugehen.

Für den Euro-Raum wird 2023 eine Teuerung von 5,5 Prozent unterstellt, für Deutschland von 6,1 Prozent. 2024 dürften es dann jeweils 3,0 Prozent sein. Die Europäische Zentralbank strebt allerdings als optimale Rate für die Wirtschaft zwei Prozent an. Die Inflation werde weiterhin stark von den Energiepreisen beeinflusst, in den vergangenen Monaten habe sich deswegen die Lage etwas entspannt. Allerdings gebe es regional riesige Unterschiede - in China Werte nahe null Prozent, dagegen über 50 Prozent in der Türkei und sogar über 100 Prozent in Argentinien.

ABKÜHLUNG IN CHINA RISIKO

China hat zwar nachwievor deutlich überdurchschnittliche Wachstumsraten - mit 5,1 Prozent 2023 und 4,6 Prozent 2024. Allerdings wurden die Schätzungen klar gesenkt. Eine womöglich noch stärkere Abkühlung ist ein Hauptrisiko für die Weltwirtschaft, wie die OECD betonte. "Hohe Schulden und der schwächelnde Immobiliensektor sind bedeutende Herausforderungen." Außerdem erhole sich der dortige Konsum nach der strengen Corona-Politik nur allmählich. Eine wichtige Stütze der Weltwirtschaft sind dagegen die USA. Hier wurden die OECD-Prognosen deutlich angehoben. Die weltgrößte Volkswirtschaft dürfte demnach 2023 um 2,2 und 2024 um 1,3 Prozent zulegen.

Für Russland werden Wachstumsraten von 0,8 und 0,9 Prozent prognostiziert - statt bisher einer jeweils schrumpfenden Wirtschaft. Lombardelli betonte, die vorherigen Schätzungen seien sehr niedrig gewesen. Nun gebe es eine Stabilisierung, weil die Regierung in Moskau auf eine Kriegswirtschaft umgestellt habe mit hohen staatlichen Ausgaben. Die Bevölkerung profitiere davon aber nicht. Mittelfristig werde Russland größere Probleme bekommen, weil viele Arbeitskräfte das Land verließen und der Zugang zu westlichen Technologien verloren gehe.

(Bericht von Christian Krämer, Mitarbeit von Reinhard Becker, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)