Reuters

Olearius-Verteidiger sehen Unschuldsvermutung verletzt

20.09.2023
um 14:27 Uhr

Bonn (Reuters) - Im Cum-Ex-Steuerprozess gegen den ehemaligen Chef der Hamburger Privatbank Warburg, Christian Olearius, haben seine Verteidiger vor dem Landgericht Bonn massive Kritik an den Ermittlungsbehörden geübt und die Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen. "Die Staatsanwaltschaft Köln hat in beispiellosem Maß an der öffentlichen Vorverurteilung des Angeklagten Olearius teilgenommen, diese zu verantworten und teilweise aktiv betrieben", sagte Peter Gauweiler, einer der Anwälte des ehemaligen Bankiers, am Mittwoch in Bonn. Die Unschuldsvermutung gelte für seinen Mandanten nicht, Olearius sei durch das Landgericht und den Bundesgerichtshof (BGH) in einem früheren Cum-Ex-Verfahren vorverurteilt worden, sagte auch Anwalt Klaus Landry. Auch seien zahlreiche Details an die Medien durchgestochen worden.

Olearius werde zu Unrecht der vorsätzlichen Steuerhinterziehung beschuldigt, betonte Landry. Der Bankier hätte die mehrfache Erstattung von Kapitalertragssteuern bei Aktien-Transaktionen, die die Anklage ihm in dem Verfahren vorwirft, niemals gebilligt und damit sein Lebenswerk aufs Spiel gesetzt. Die Anklage stütze sich auf einen Tatplan, den es niemals gegeben habe, sagte Gauweiler weiter. Zudem habe sich das Ermittlungsverfahren gegen Olearius über zehn Jahre und damit unverhältnismäßig lang hingezogen. Auch ermittele das Land Nordrhein-Westfalen zu Taten, an denen die Landesbank WestLB beteiligt gewesen sei - denn diese habe am Cum-Ex-Rad gedreht.

Die Staatsanwaltschaft wirft Ex-Bank-Chef Olearius schwere Steuerhinterziehung vor. Vor dem Landgericht werden 14 Fälle verhandelt, der Schaden für den Fiskus liege bei knapp 280 Millionen Euro. Olearius hatte sich der Staatsanwaltschaft zufolge detailliert mit den Strategien des Bankhauses Warburg befasst und auch Cum-Ex-Geschäfte abgesegnet. Der Bankier hat die Vorwürfe immer wieder bestritten.

Bei den Cum-Ex-Geschäften war dem deutschen Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Anleger ließen sich dabei eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - also cum - und ohne - ex - Dividendenanspruch. Die Fälle hatten weite Kreise gezogen, bei Banken und Anwaltskanzleien gibt es deswegen immer wieder Durchsuchungen. Allein die Staatsanwaltschaft Köln führt aktuell noch rund 120 Ermittlungsverfahren im "Cum-Ex-Bereich", die sich ihren Angaben zufolge gegen rund 1700 Beschuldigte richten.

(Bericht von Matthias Inverardi, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)