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Lage in Bergkarabach angespannt - Zukunft der Armenier unklar

22.09.2023
um 13:42 Uhr

Bei Kornidsor (Armenien)/Moskau (Reuters) - Zwei Tage nach dem Waffenstillstand in Bergkarabach wird weiter um die Zukunft der rund 120.000 ethnischen Armenier in der von Aserbaidschan abtrünnigen Südkaukasus-Region gerungen.

Gespräche über Sicherheitsgarantien und eine Amnestie für armenische Kämpfer hätten noch keine konkreten Ergebnisse gebracht, sagte David Babajan, ein Berater der selbst ernannten Regierung von Bergkarabach, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Menschen hätten nicht genug zu essen, keinen Strom und keinen Treibstoff. Aserbaidschan erklärte, Zivilisten werde eine sichere Ausreise nach Armenien ermöglicht. Armenier in Bergkarabach hatten der Weltgemeinschaft zuvor Untätigkeit vorgeworfen und fürchten nach eigenen Angaben "ethnische Säuberungen". Aserbaidschan betont, die ethnischen Armenier integrieren zu wollen.

Im Zentrum der Debatten steht aktuell abermals der Latschin-Korridor - die einzige Straßenverbindung zwischen Bergkarabach und Armenien. Ein aserbaidschanischer Regierungsberater betonte, Zivilisten könnten die Straße in ihren eigenen Fahrzeugen geschützt befahren. Dem widersprach indirekt der Berater der armenischen Führung in Bergkarabach: "Der Latschin-Korridor funktioniert nicht, wie er sollte", sagte Babajan. Die Region sei faktisch in einem Belagerungszustand, weshalb auch keine Menschenmassen Bergkarabach verließen. Über die Straße werde aber noch am Freitag ein Konvoi mit Hilfslieferungen aus Armenien erwartet.

Aus dem Umfeld der aserbaidschanischen Regierung hieß es, noch am Freitag würden drei Ladungen humanitärer Güter geliefert. Ob es sich um dieselbe Maßnahme handelte, war zunächst unklar. Reuters-Reporter beobachteten zudem einen Lastwagen-Konvoi russischer Friedenstruppen, die in der Region stationiert sind, auf dem Weg nach Bergkarabach. Russland unterstützt Armenien, hinter Aserbaidschan steht die Türkei.

Der außenpolitische Berater der Regierung von Aserbaidschan, Hikmet Hadschijew, sagte, die Rechte der Armenier in Bergkarabach würden respektiert. Er unterstrich damit ähnliche Äußerungen von Präsident Ilham Alijew. Dieser hatte sich aber zugleich davon überzeugt gezeigt, dass dem jahrzehntelangen Streben der Armenier in Bergkarabach nach Unabhängigkeit nunmehr endgültig ein Ende gemacht wurde.

In der Region leben überwiegend ethnische Armenier, die die Region nach der Lossagung von Aserbaidschan mit Unterstützung der armenischen Regierung drei Jahrzehnte lang weitgehend kontrollierten. Das Gebiet liegt aber inmitten des benachbarten Aserbaidschan, zu dem es völkerrechtlich auch gehört. Aserbaidschan hatte am Dienstag einen breit angelegten Militäreinsatz in der Region gestartet. Einen Tag später stimmten die in Bergkarabach lebenden Armenier notgedrungen einer Feuerpause zu. Bei dem Einsatz sollen Hunderte Menschen getötet und verletzt worden sein, darunter auch Zivilisten.

Die Führung der Armenier in Bergkarabach verlangt nun Sicherheitsgarantien Aserbaidschans, bevor ihre Kämpfer einem Aufruf zur Waffenabgabe nachkommen. Der Berater der aserbaidschanischen Regierung, Hadschijew, sagte, es zeichne sich vereinzelt Widerstand unter den armenischen Kämpfern ab. "Aber wir sehen das nicht als eine große Herausforderung."

Nach den jüngsten Ereignissen waren Forderungen laut geworden, der armenische Präsident Nikol Paschinjan solle zurücktreten. Er erklärte nun, sein Land sei auf Flüchtlinge aus Bergkarabach vorbereitet. Es müsse aber alles dafür getan werden, dass Armenier auch weiterhin sicher in Bergkarabach leben könnten.

(Bericht von Felix Light, Roman Churikov und Guy Faulconbridge, geschrieben von Elke Ahlswede, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)