Reuters

Ampel-Regierung schnürt neues Migrationspaket

12.10.2023
um 07:47 Uhr

- von Holger Hansen und Alexander Ratz und Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung strebt ein neues Migrationspaket an, mit dem sie Abschiebungen von Ausländern, aber auch deren Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern will.

"Das ist ein Thema, wo der Staat zeigen muss, dass er Dinge unter Kontrolle hat", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochabend in Berlin. "Es kommen gegenwärtig viel zu viele (Menschen)", fügte er hinzu.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) legte am Mittwoch einen Gesetzesentwurf vor, der Rückführungen von Menschen ohne Bleiberecht beschleunigen soll. Das Kabinett soll bis Ende Oktober zustimmen. Ergänzend sollen Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen bereits nach sechs statt derzeit neun Monaten arbeiten dürfen. "Es ist allemal sinnvoll, dass Flüchtlinge, die hier jetzt schon länger im Land sind, arbeiten dürfen", erklärte der für die Grünen federführende Vizekanzler Robert Habeck zu der Verständigung der Spitzen von SPD, Grünen und FDP.

KANZLER LÄDT LÄNDER UND CDU-CHEF ZU SPITZENGESPRÄCH

Über die steigenden Migrationszahlen und Probleme und Kosten der Kommunen bei deren Unterbringung gibt es seit Monaten Streit zwischen Ländern und Union einerseits und der Bundesregierung andererseits. Scholz lud nun für Freitagabend zu einem Spitzengespräch ins Kanzleramt ein. Er will dann die Ministerpräsidenten von Hessen und Niedersachsen, Boris Rhein (CDU) und Stephan Weil (SPD), empfangen. Auch Unions-Fraktions- und CDU-Chef Friedrich Merz soll teilnehmen. Rhein führt den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz, Weil ist sein Vorgänger in dieser Funktion. Am Donnerstag kommen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer in Frankfurt zu zweitägigen internen Beratungen zusammen. Dabei soll es vor allem um das Thema Migration gehen.

Scholz begrüßte, dass auch Länder und Kommunen nun ihrerseits etwa über Gemeinschaftseinrichtungen, Sachleistungen und gemeinnützige Arbeiten von Asylbewerbern diskutierten.

In der Bundesregierung hieß es, der Gesetzesvorstoß sei keine Reaktion auf den Ausgang der Landtagswahlen. Im Wahlkampf hatte zuletzt das Migrationsthema dominiert und dazu beigetragen, dass die AfD in Hessen und Bayern Rekordergebnisse erzielte. Die Gespräche über das zweite Migrationspaket liefen schon länger, hieß es in der Regierung. Faeser leitete nun zu ihrem Gesetzentwurf die Ressortabstimmung und die Anhörung der Verbände ein. Parallel sollen Regelungen zum Arbeitsmarktzugang im Aufenthaltsgesetz auf den Weg gebracht werden. In der gesamten Regierung ist das Paket somit noch nicht abgestimmt. Daher werden noch Debatten auch in der Koalition erwartet.

FAESER: MENSCHEN SOLLEN SCHNELLSTMÖGLICH ARBEITEN DÜRFEN

"Wir haben uns in der Bundesregierung auf ein sehr gutes Paket an Maßnahmen verständigt, damit Menschen ohne Bleibeperspektive schneller unser Land verlassen müssen und Menschen mit guten Perspektiven schnellstmöglich arbeiten dürfen", sagte Faeser der "Rheinischen Post". Habeck erklärte: "Wer nicht bleiben darf, muss schnell wieder gehen."

Die Vereinbarungen zu Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber und Geduldete bleiben hinter den Forderungen der Grünen zurück. Diese wollten alle Arbeitsverbote aufheben. Nun sollen Asylsuchende in Erstaufnahmereinrichtungen künftig bereits nach sechs statt derzeit neun Monaten arbeiten dürfen. Noch stärker ins Gewicht fallen könnte nach Einschätzung aus Regierungskreisen eine zweite Neuregelung, wonach die Behörden im Regelfall eine Beschäftigungsduldung erteilen sollen. Bisher gilt dies nur als Kann-Regelung. Zudem dürfen Geduldete eine Beschäftigungserlaubnis beantragen, die bis 31. Dezember 2022 nach Deutschland gekommen sind. Bisher war der Stichtag 2018.

Faeser will, dass verurteilte Straftäter mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr leichter abgeschoben und auch Ausweisungen von Schleusern beschleunigt werden. Die Höchstdauer für Abschiebehaft soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. Zudem sollen Ermittler mehr Möglichkeiten erhalten, um Menschen ohne Bleiberecht zu ermitteln.

"Wir werden unserer humanitären Verantwortung für 1,1 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine und für Schutzsuchende aus anderen Regionen, in denen Krieg und Terror herrschen, gerecht", erklärte Faeser. "Das ist ein riesiger Kraftakt - vor allem unserer Kommunen, aber auch unserer gesamten Gesellschaft." Um dies gewährleisten zu können und das Grundrecht auf Asyl zu schützen, müsse zugleich irreguläre Migration deutlich begrenzt werden. Die Neuregelungen gingen auch auf die Ergebnisse von Spitzengesprächen der Bundesregierung mit den Ländern zurück.

(redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)