Reuters

CDU knüpft neue Gespräche mit Scholz zu Migration an Bedingungen

14.11.2023
um 18:02 Uhr

Berlin (Reuters) - Die CDU hat sich offen für neue Gespräche mit Bundeskanzler Olaf Scholz zum Streit über die Migrationspolitik gezeigt, stellt aber Bedingungen.

Oppositionsführer Friedrich Merz verwies am Dienstag auf die Dringlichkeit des Themas, weil ein Brief des Chefs des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration (Bamf) zeige, dass man in 2023 von viel höheren Zahlen neuankommender Asylbewerber ausgehen müsse als bisher gemeldet. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte die Ampel-Pläne für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrecht eine "Provokation".

"Bis zum Ende des Jahres muss mit einem Asylzugang von 350.000 oder sogar darüber hinaus gerechnet werden", heißt es in dem vom 3. November datierten Brief von Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer an Bundesinnenministerin Nancy Faeser, der Reuters vorliegt. Im September seien 40.000 Asylgesuche, im Oktober 43.500 registriert worden. "Aber selbst diese Zahlen geben den tatsächlichen Asylzugang nicht wieder, da die Länder mittlerweile erhebliche Registrierungsrückstände haben, so dass wir es tatsächlich im September mit rund 50.000 und im Oktober mit rund 55.000 Zugängen zu tun hatten", schreibt Sommer.

Ein Sprecher des Innenministeriums wies darauf hin, dass sich das Bamf auf Asylgesuche fokussiere, die aber nicht zwingend in einen Asylantrag mündeten, weil einige Personen in andere Staaten weiterziehen würden. Man habe dem Bamf seit Spätherbst 2022 zusätzliche kurzfristige Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt.

Das Bamf warnt zudem, dass sich ohne zusätzliche Stellen die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Asylantrag von derzeit 6,7 Monaten noch verlängern werde und der wachsende Stau an Anträgen nicht abgebaut werden könne. Für den Haushalt 2024 fordert die Behörde zusätzlich rund 200 Millionen Euro.

CDU-Chef Merz kritisierte erneut, dass die von Bund und Länder gefassten Maßnahmen nicht ausreichten. Die Union wolle zudem Tempo machen und will am Donnerstag über die vereinbarte Änderung im Asylbewerberleistungsgesetz abstimmen lassen. Bürgergeld-ähnliche Leistungen sollen Asylbewerber künftig erst nach 36 und nicht nach 18 Monaten bekommen. Die Ampel habe eine Befassung schon in dieser Woche abgelehnt, kritisierte Merz. Man werde zudem zwei Gesetzesvorschläge für eine Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen bei Antisemitismus sowie für eine schnellere Abschiebung nach antisemitischen Straftaten einbringen. Die Union fordert zudem, dass die ukrainischen Kriegsflüchtlinge wieder aus dem Bürgergeld-Bezug genommen werden, weil diese Leistung laut CSU-Landesgruppenchef Dobrindt offensichtlich als "Arbeitsbremse" wirke.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, stellte einen Zusammenhang zwischen dem von der Ampel kommende Woche geplanten parlamentarischen Behandlung und neuen Gesprächen über den Deutschland-Pakt Migration her. "Wenn die Koalition das Staatsangehörigkeitsrecht so durchdrückt wie im Kabinett beschlossen, dann ist das für uns kein Zeichen, dass man mit uns über solche Fragen reden will", warnte der CDU-Politiker. Die Union verlangt Verschärfungen, um die Einbürgerung etwa von Personen zu erschweren, die sich antisemitisch äußern.

Nach der Ministerpräsidentenkonferenz hatte CDU-Chef Merz die Gespräche mit dem Kanzler über einen Deutschland-Pakt zu Migration für beendet erklärt. Scholz zeigte sich am Sonntag davon überrascht und bot neue Gespräche an. "Ich freue mich, wenn wir weiter sprechen können", sagte der SPD-Politiker. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte am Dienstag weitere Gespräche mit der Union und wunderte sich über die Absage von Merz.

Die Tür sei zu, aber nicht abgeschlossen, sagte Frei dazu. "Die kann jederzeit wieder geöffnet werden." Die Union entziehe sich nie Gesprächen. Allerdings müsse vorher klar sein, was das Ziel von Gesprächen des Kanzlers mit Oppositionsführer Friedrich Merz sein solle.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)