Reuters

Israel - Militäroperation im Al-Schifa Krankenhaus

15.11.2023
um 08:12 Uhr

Gaza-Stadt (Reuters) - Das israelische Militär ist nach eigenen Angaben im Al-Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen gegen die radikalislamische Palästinensergruppe Hamas vorgegangen.

"Auf der Grundlage von Geheimdienstinformationen und einer operativen Notwendigkeit führen die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) eine präzise und gezielte Operation gegen die Hamas in einem bestimmten Bereich des Schifa-Krankenhauses durch", teilte die Armee am Mittwoch mit. Sie forderte alle Mitglieder der militanten Gruppe im Krankenhaus auf, sich zu ergeben. Weniger als eine Stunde zuvor hatte Israel die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde in Gaza gewarnt, es werde den Krankenhauskomplex "in den nächsten Minuten" angreifen. In dem größten Krankenhaus des Gazastreifens suchen tausende palästinensische Zivilisten Schutz.

Die israelischen Streitkräfte haben nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde den westlichen Teil des Al-Schifa-Krankenhauses gestürmt. "Es gibt große Explosionen und Staub in den Bereichen, in denen wir uns befinden. Wir glauben, dass es auch im Krankenhaus eine Explosion gegeben hat", sagte Dr. Munir Al-Bursch, Generaldirektor der Gesundheitsbehörde. Al-Schifa ist ein weitläufiger Komplex von Gebäuden und Höfen, nur wenige hundert Meter vom Fischereihafen von Gaza-Stadt entfernt. Die Gebäude auf der Westseite des Komplexes beherbergen die Abteilungen für Innere Medizin und Dialyse.

HAMAS ZEICHNEN ISRAEL UND USA VERANTWORTLICH

Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde in Gaza erklärte, sie mache die israelischen Truppen und US-Präsident Joe Biden in vollem Umfang verantwortlich. Die Erklärung der US-Geheimdienste vom Dienstag, wonach die USA Israels Schlussfolgerung unterstützten, dass Militante von dem Komplex aus operierten, habe Israel "grünes Licht" für die Razzia gegeben. "Unter den IDF-Kräften befinden sich medizinische Teams und Arabisch sprechende Personen, die ein spezielles Training absolviert haben, um sich auf dieses komplexe und sensible Umfeld vorzubereiten, mit der Absicht, der Zivilbevölkerung keinen Schaden zuzufügen", erklärte das israelische Militär. Die USA äußerten sich zunächst nicht zu der Razzia.

Die israelischen Streitkräfte hatten sich in den vergangenen zehn Tagen heftige Straßenschlachten mit Hamas-Kämpfern geliefert, bevor sie ins Zentrum von Gaza-Stadt vorrückten und Al-Schifa umstellten. Israel hatte am Dienstag erklärt, dass die Hamas nach Geheimdienstinformationen unter dem Al-Schifa-Krankenhaus eine Kommandozentrale unterhalte und das Krankenhaus und die darunter liegenden Tunnel zur Verschleierung militärischer Operationen benutze. Offenbar würden dort auch aus Israel entführte Geiseln festgehalten. Der Sprecher der israelischen Armee, Oberstleutnant Peter Lerner, sagte dem Sender CNN, das Krankenhaus und der Komplex seien für die Hamas "ein zentraler Knotenpunkt ihrer Operationen, vielleicht sogar das schlagende Herz und vielleicht sogar ihr Schaltzentrale". Die USA erklärten, eigene Geheimdienstinformationen stützten diese Schlussfolgerungen. Die Hamas bestreitet die Vorwürfe.

DRAMATISCHE ZUSTÄNDE IM KRANKENHAUS

Fünf Wochen nach der Ankündigung Israels, die Hamas als Vergeltung für den grenzüberschreitenden Angriff der Milizen auf Israel am 7. Oktober zu zerschlagen, ist das Al-Schifa-Krankenhaus wegen der sich verschlechternden Bedingungen in der Einrichtung ins Zentrum internationaler Besorgnis gerückt. Nach Angaben des medizinischen Personals ist das Krankenhaus aufgrund der israelischen Angriffe und des Mangels an Treibstoff für die Generatoren kaum noch funktionsfähig. Nach Angaben der Hamas sind 650 Patienten und weitere 5.000 bis 7.000 Zivilisten auf dem Krankenhausgelände eingeschlossen. Aufgrund des Mangels an Treibstoff, Wasser und Lebensmitteln seien in den letzten Tagen 40 Patienten gestorben. Insgesamt gebe es rund 100 Leichen, die im Inneren verwesten und nicht geborgen werden könnten, sagte ein Sprecher der Gesundheitsbehörde.

Nach Angaben von Ärzten im Gazastreifen sind bei den israelischen Angriffen mehr als 11.000 Menschen ums Leben gekommen, etwa 40 Prozent davon Kinder. Etwa zwei Drittel der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind obdachlos und können das Gebiet nicht verlassen, in dem Lebensmittel, Treibstoff, Trinkwasser und medizinische Versorgung knapp werden.

(Berichterstattung von Nidal al-Mughrabi in Gaza, Trevor Hunnicutt in San Francisco und den Reuters-Büros, geschrieben von Katharina Loesche.)