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Klatsche für Ampel - Verfassungsgericht kippt Klimarücklage von 2021

15.11.2023
um 11:52 Uhr

- von Ursula Knapp und Christian Krämer

Karlsruhe/Berlin (Reuters) - Der Ampel-Regierung droht die nächste Krise. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kippte am Mittwoch den umstrittenen Nachtragshaushalt von Ende 2021.

Danach durften 60 Milliarden Euro an nicht benötigten Krediten zur Bewältigung der Corona-Krise nicht umgewidmet und in den Klimafonds verschoben werden, wie das Gericht mitteilte. Damit sind wichtige Finanzabsprachen aus den Ampel-Koalitionsverhandlungen nichtig. Das Geld für Klimainvestitionen muss nun anderweitig bereitgestellt werden. Das wird wegen der angespannten Haushaltslage aber schwierig. Neuer Streit der Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP ist deswegen programmiert, vor allem zur Schuldenbremse.

Das Vorgehen der Ampel sei insbesondere wegen eines Verstoßes gegen die Schuldenbremse verfassungswidrig, sagte die Vize-Präsidentin des Gerichts, Doris König. Sie beanstandete, dass die krisenbedingte Aussetzung der Schuldenbremse, die während der Pandemie bestanden hat, bei späteren Ausgaben nicht ausreichend dargelegt worden sei. Außerdem sei das entsprechende Gesetz zu spät verabschiedet worden. Die Entscheidung hat zur Folge, dass der Umfang des Klima- und Transformationsfonds (KTF), wie er mittlerweile heißt, sich um 60 Milliarden Euro reduziert, wie das Gericht betonte. "Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren."

Der CDU-Politiker Mathias Middelberg, einer der Kläger, sprach von einer Katastrophe für die Ampel. "Die gesamte Haushaltspolitik der Ampel basiert auf Verfassungsverstößen." Das Gericht habe für schärfere Konturen der Schuldenbremse im Grundgesetz gesorgt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Das Urteil ist eine gigantische Klatsche für die Ampel, die jetzt ein 60-Milliarden-Loch im Haushalt hat."

WIE SIEHT PLAN B AUS?

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte im Vorfeld des Urteils gesagt, einen Plan B zu haben. Details hatte er aber nicht genannt. Am Mittag wollen sich Insidern zufolge Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zusammen im Kanzleramt zu den Folgen äußern. Für die Koalition kommt die Entscheidung zur Unzeit. Denn ab Donnerstag sollen im Bundestag die letzten Änderungen am hart umkämpften Haushaltsentwurf für 2024 festgelegt werden.

Aus dem aktuellen KTF-Wirtschaftsplan geht hervor, dass die Rücklagen zum Jahresende 2023 bei voraussichtlich 64,8 Milliarden Euro liegen dürften. Ab 2024 soll aber mehr ausgegeben als eingenommen werden, wodurch die Rücklage Ende 2024 zunächst auf 41,5 Milliarden Euro sinken würde. Ende 2026 dürfte sie nach derzeitiger Planung aufgebraucht sein.

Die SPD-Politikerin Katja Mast geht davon aus, dass die Haushaltsberatungen trotz des Urteils wie geplant weiterlaufen. "Wir sind auf die Szenarien vorbereitet", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin. Man müsse sich das Urteil nun genau anschauen. Sie sei offen für eine Debatte über die Schuldenbremse. Dies hat Lindner zuletzt aber strikt abgelehnt. Sie müsse eingehalten werden, betonte er. Die Grünen sehen bei der Schuldenbremse ebenfalls Reformbedarf. "Wir brauchen ein Update für unsere Verschuldungsregeln, wenn wir künftig in die Zukunft des Landes investieren, die Verteidigungsausgaben wie versprochen steigern, den Umbau unserer Energieversorgung langfristig sichern und daneben noch Schulden bei steigenden Zinsen tilgen wollen", sagte der grüne Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, zu Reuters. Das gehe aber nur im Konsens aller demokratischen Parteien, weil es eine Verfassungsänderung dafür brauche.

Von den Haushältern der Ampel war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Lindner wird aber am Nachmittag im Haushaltsausschuss erwartet.

(Weitere Reporter: Holger Hansen und Andreas Rinke, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)