Reuters

Ratingagentur - Öffentlicher Investitionsstau in Deutschland bei 300 Mrd Euro

17.11.2023
um 14:27 Uhr

Berlin (Reuters) - Deutschland wird nach Berechnungen der Ratingagentur Scope von einem riesigen Investitionsstau geplagt.

Dieser summiere sich im öffentlichen Bereich auf mehr als 300 Milliarden Euro für die zurückliegende Dekade, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Studie der europäischen Bonitätswächter. Demnach komme die öffentliche Hand bei den Nettoanlagen in den vergangenen drei Jahrzehnten durchschnittlich nur auf 0,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes pro Jahr. Das sei weit weniger als andere mit der Bonitätsbestnote AAA bewerteten Länder, die auf durchschnittlich 1,0 Prozent kämen. Wäre dieses Niveau auch in Deutschland erreicht worden, währen hierzulande 303 Milliarden Euro mehr investiert worden, schrieb Scope-Analyst Eiko Sievert. Auch die USA (1,3 Prozent), Spanien (1,2 Prozent), das Vereinigte Königreich (0,7 Prozent) und Frankreich (0,6 Prozent), hätten weit mehr investiert.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Schuldenbremse belastet Scope zufolge die ohnehin mauen Konjunkturaussichten für die deutsche Wirtschaft. Es erhöhe die Unsicherheit über die derzeitigen Haushaltspraktiken auf Bundes- und Länderebene und könnte somit die Investitionen in naher Zukunft eintrüben. "Das belastet die ohnehin schwachen Wachstumsaussichten Deutschlands", schrieb Sievert.

Dennoch dürfte die Staatsverschuldung bis 2027 unter die Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fallen. "Dies bedeutet, dass Deutschland über einen gewissen fiskalischen Spielraum für höhere Investitionen verfügt", betonte Sievert. "Angesichts der rasch alternden Bevölkerung und des schrumpfenden Wachstumspotenzials müssen sich die politischen Entscheidungsträger stärker darauf konzentrieren, die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken." Andernfalls könnten sich langfristig Ungleichgewichte im Staatshaushalt auftun.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den von der Ampelregierung eingerichteten Klimafonds für rechtswidrig und auch einen Nachtragshaushalt der Ampel für nichtig erklärt. Nun fehlen zunächst 60 Milliarden Euro aus dem Klimafonds KTF für die Finanzierung etwa von Maßnahmen für den Kampf gegen Klimawandel und für Industrieförderung. Die Ampel-Regierung aus SPD, Grüne und FDP will parallel zu den laufenden Haushaltsverhandlungen 2024 klären, wie dies gelingen kann.

(Bericht von Rene Wagner; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)