Reuters

Weitere Gaza-Klinik umkämpft - Frühchen treffen in Ägypten ein

20.11.2023
um 15:12 Uhr

- von Nidal al-Mughrabi und Dan Williams

Gaza/Jerusalem (Reuters) - Im Norden des Gazastreifens sind nach palästinensischen Angaben Kämpfe um ein weiteres Krankenhaus ausgebrochen.

Israelische Panzer kreisten das Gelände einer indonesisch-finanzierten Klink ein, wie die von der radikal-islamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden von Gaza am Montag mitteilten. Bei Schüssen auf den Komplex seien mindestens zwölf Palästinenser getötet und Dutzende verletzt worden. In Ägypten trafen einem Medienbericht zufolge Frühgeborene aus dem Al-Schifa-Krankenhaus zur medizinischen Behandlung ein. In dem größten Krankenhaus im Gazastreifen war der medizinische Betrieb zusammengebrochen, nachdem es dort zu Kämpfen gekommen und der Treibstoff ausgegangen war.

Das "Indonesian Hospital" liegt nur wenige Kilometer entfernt vom Al-Schifa-Krankenhaus in dem Ort Beit Lahia. In der Klinik befinden sich nach palästinensischen Angaben 700 Patienten und Mitarbeiter. Man versuche verzweifelt, die Zivilisten in Sicherheit zu bringen. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete, das Krankenhaus sei unter Artilleriebeschuss geraten. Klink-Mitarbeiter betonten, dass sich auf dem Gelände keine bewaffneten Extremisten befänden. Die indonesische Außenministerin Retno Marsudi warf Israel vor, das Krankenhaus angegriffen und damit einen klaren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht begangen zu haben.

Vom israelischer Seite lag zunächst keine Stellungnahme zur Lage um das Indonesische Krankenhaus vor. Das Militär hat unter anderem im Zusammenhang mit dem Vorgehen rund um die Al-Schifa-Klinik erklärt, dass seine Streitkräfte "Terror-Infrastruktur" der Hamas dort ins Visier nähmen. Es wirft der radikal-islamischen Palästinenser-Gruppe vor, unter anderem in Krankenhäusern Kommandozentralen zu unterhalten und Zivilisten als menschliche Schutzschilder zu missbrauchen. Die Hamas bestreitet dies.

Wie alle anderen Gesundheitseinrichtungen in der nördlichen Hälfte des Gazastreifens hat auch das indonesische Krankenhaus, das 2016 mit Mitteln indonesischer Organisationen gegründet wurde, seinen Betrieb weitgehend eingestellt. Es beherbergt aber weiterhin Patienten, Personal und geflüchtete Bewohner. Israel hat zur vollständigen Evakuierung des nördlichen Gazastreifens aufgerufen. Tausende Zivilisten blieben jedoch, viele suchten Schutz in Krankenhäusern. Während des seit mehr als sechs Wochen tobenden Kriegs sind in dem gesamten Küstengebiet Treibstoff und Medikamente zur Neige gegangen.

Heftige Kämpfe tobten Zeugen zufolge im Norden auch zwischen Hamas-Mitgliedern und israelischen Streitkräften, die den Angaben nach versuchten, in das Flüchtlingslager Dschabalia vorzudringen. Dort leben etwa 100.000 Menschen. Nach israelischen Angaben ist Dschabalia eine Hochburg der Hamas.

Am südlichen Ende des Gazastreifens wurden zudem nach Angaben der Gesundheitsbehörden in Gaza mindestens 14 Palästinenser bei zwei israelischen Luftangriffen auf Häuser in der Stadt Rafah nahe der Grenze zu Ägypten getötet. Hunderttausende Gazastreifen-Bewohner sind vor den Kämpfen im Norden in den Süden geflohen.

Das israelische Militär veröffentlichte zusammen mit einer Erklärung Videoaufnahmen von Luftangriffen und Soldaten, die von Haus zu Haus ziehen. Den Angaben zufolge wurden drei Hamas-Befehlshaber und eine Gruppe palästinensischer Kämpfer getötet. Genaue Angaben zum Ort des Geschehens wurden nicht gemacht.

FRÜHCHEN IN ÄGYPTEN

Über den Grenzübergang Rafah wurden zuletzt immer wieder Inhaber ausländischer Pässe und Menschen, die dringend medizinisch behandelt werden müssen, nach Ägypten gelassen. Am Montag kamen Frühgeborene aus der Al-Schifa-Klinik an, wie der ägyptische Fernsehsender Al-Kahera berichtete. In einer Live-Übertragung war zu sehen, wie medizinisches Personal vorsichtig Säuglinge aus einem Krankenwagen hob und sie in mobile Inkubatoren legte, die dann über einen Parkplatz zu anderen Krankenwagen gerollt wurden. Dem Bericht und Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds zufolge wurden insgesamt mehr als zwei Dutzend Babys in Ägypten erwartet. Die Kinder waren am Sonntag zunächst in ein Krankenhaus in Rafah gebracht worden, um ihren Zustand vor dem Weitertransport nach Ägypten zu stabilisieren.

Im Zuge der Kämpfe um das Al-Schifa-Krankenhaus und der immer prekärer werdenden humanitären Lage im Gazastreifen waren die internationalen Rufe nach Feuerpausen zuletzt lauter geworden. Hoffnungen, dass es bald dazu kommen könnte, keimten am Wochenende auf. Vertreter der USA und Israels machten nach eigenen Angaben Fortschritte bei den Vermittlungsbemühungen Katars aus, eine Einigung zu erzielen, die die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas ermöglicht sowie Feuerpausen, damit Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen können.

(Geschrieben von Christian Rüttger, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)