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Lagarde hält Kampf gegen Inflation für noch nicht gewonnen - "Große Unsicherheit"

27.11.2023
um 18:32 Uhr

Frankfurt (Reuters) - EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnt angesichts nachwievor bestehender Unsicherheiten vor verfrühten Siegesfeiern im Kampf gegen die Inflation.

Dies sei nicht der Zeitpunkt, damit zu beginnen, den Sieg zu verkünden, sagte die Französin am Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europa-Parlaments in Brüssel. Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse in der Zinspolitik weiter auf Sicht fahren. "Wir müssen die verschiedenen Kräfte, die sich auf die Inflation auswirken, weiterhin aufmerksam beobachten und uns fest auf unser Mandat der Preisstabilität konzentrieren," sagte sie. Der nächste Zinsentscheid der EZB steht am 14. Dezember an.

"Unsere künftigen Entscheidungen werden sicherstellen, dass die Leitzinsen so lange wie nötig auf einem ausreichend restriktiven Niveau bleiben", sagte die Notenbank-Chefin. Dabei werde die EZB weiter datenabhängig vorgehen. Die EZB werde die Inflationsaussichten im Blick behalten, die Inflationsdynamik und auch, wie stark sich die Maßnahmen der Geldpolitik auf die Wirtschaft auswirken. Lagarde geht davon aus, dass sich der Inflationsdruck weiter abschwächen wird. In den nächsten Monaten werde die Teuerung aber womöglich wieder leicht ansteigen - vor allem wegen Basiseffekten. Die mittelfristigen Inflationsaussichten seien nach wie vor mit großer Unsicherheit behaftet. Im Oktober lag die Inflation im Euroraum bei 2,9 Prozent - noch im Herbst 2022 hatte sie zeitweise bei über zehn Prozent gelegen.

Die Währungshüter streben 2,0 Prozent als Idealwert für die Wirtschaft an. Die EZB hatte auf ihrem jüngsten Zinstreffen im Oktober angesichts des nachlassenden Preisdrucks beschlossen, ihre Serie von Zinserhöhungen vorerst zu stoppen. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz liegt bei 4,00 Prozent - das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.

LAGARDE - BALD DEBATTE ÜBER PEPP-PROGRAMM

Lagarde stellte den EU-Abgeordneten zudem in Aussicht, dass die Währungshüter bald über ein vorzeitiges Ende der Anleihenkäufe im noch laufenden Kaufprogramm PEPP beraten werden. "Das ist eine Angelegenheit, die wahrscheinlich in nicht allzu ferner Zukunft im EZB-Rat diskutiert und erwogen werden wird, und wir werden diesen Vorschlag möglicherweise erneut prüfen", sagte sie. MehrereWährungshüter hatten sich in den vergangenen Monaten für ein vorzeitiges Ende der PEPP-Käufe ausgesprochen.

Mit dem billionenschweren Kaufprogramm PEPP wollte die EZB während der Corona-Pandemie die Finanzierungsbedingungen für Staaten, Unternehmen und Haushalte günstig halten. Doch die Pandemie ist inzwischen abgeklungen und Kaufprogramme wie das PEPP gehören eher zum Instrumentarium einer lockeren Geldpolitik. Auslaufende Anleihen aus dem Programm werden jedoch immer noch vollumfänglich ersetzt. Bislang sollen diese Reinvestitionen bis mindestens Ende 2024 fortgesetzt werden.

Zur laufenden Überprüfung des operativen Zinsrahmens, mit dem die EZB die Liquiditätsversorgung der Banken steuert, sagte Lagarde: "Wir befinden uns mitten in dieser Arbeit." Sie könne sich vorstellen, dass dies zu einer Notenbank-Bilanz führen, deren Umfang definitiv geringer sein werde verglichen mit dem Höchststand der vergangenen Jahre. "Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie größer sein wird als vor der großen Finanzkrise", fügte sie hinzu. Aktuell hat die EZB-Bilanz ein Volumen von rund sieben Billionen Euro. Vor der globalen Finanzkrise hatte das Volumen 2007 noch bei 1,5 Billionen Euro gelegen. Zum Vorschlag von EZB-Chefökonom Philip Lane, die Notenbank solle künftig auch ein "strukturelles Anleihenportfolio" als ständiges Instrument zur Liquiditätssteuerung besitzen, sagte die EZB-Chefin, dies sei eine sehr informierte Überlegung. "Aber es wird mehr geben und die letzendliche Entscheidung gehört dem EZB-Rat", merkte sie an.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Reinhard Becker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)