Reuters

Lindner beziffert Haushaltslücke 2024 auf 17 Milliarden Euro

30.11.2023
um 08:02 Uhr

Berlin (Reuters) - Unmittelbar vor dem Koalitionsausschuss der Ampel-Regierung hat Bundesfinanzminister Christian Lindner das Finanzloch im Haushalt für nächstes Jahr auf 17 Milliarden Euro beziffert.

"Wir können alle Verpflichtungen bedienen", sagte der FDP-Vorsitzende am Mittwochabend im ZDF. Die Regierung sei handlungsfähig. Es müssten aber Prioritäten bei den Ausgaben neu festgelegt werden. Die Aufstockung der Militärhilfe von vier auf acht Milliarden Euro im kommenden Jahr sei dabei "unbedingt nötig". Aber ein Subventionsabbau sei denkbar, sagte der Finanzminister und verwies auf ein Gesamtvolumen des Bundeshaushalts von rund 450 Milliarden Euro. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte am Mittwochabend den Mut zu Investitionen. Man werde die Haushaltsprobleme lösen, betonte er.

Seit dem Abend beraten die Regierungs-, Fraktions- und Parteispitzen von SPD, Grüne und FDP im Kanzleramt über die Haushaltspolitik nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Beschlüsse werden nach Angaben aus Koalitionskreisen nicht erwartet. Die Regierung werde nicht auseinanderbrechen, sagten mehrere Ampel-Politiker angesichts der Neuwahl-Forderungen der oppositionellen Union.

Seit dem folgenreichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds KTF ist die Ampel-Koalition massiv unter Druck. Im KTF haben die Karlsruher Richter 60 Milliarden Euro gestrichen, weitere Milliarden aus anderen Sondertöpfen müssen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Die Beratungen im Bundestag zum Haushaltsentwurf 2024 liegen deshalb auf Eis. Die Koalition will nach Möglichkeit noch in diesem Jahr den Haushalt 2024 beschließen. Im Raum steht dabei, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auch 2024 erneut auszusetzen, dann das fünfte Jahr in Folge.

Lindner schloss dies auch auf Nachfrage nicht aus, betonte aber, er sei nicht überzeugt davon, dass wirklich erneut eine erneute Ausnahmesituation vorliege. Dafür brauche es eine sehr gute Begründung. "Wir können nicht auf Dauer mit Notlagen-Beschlüssen arbeiten." Die SPD hatte auf die andauernden Folgen des Ukraine-Krieges sowie den internationalen Subventionswettbewerb verwiesen. Während die SPD-Chefin Saskia Esken warnte, die Schuldenbremse dürfe nicht zu einer "Zukunftsbremse" werden, betonte der FDP-Chef, die Schuldenbremse sei eine "Bequemlichkeits-Bremse" und eine "Inflations-Bremse".

Die Frage, wie hoch das Haushaltsloch in 2024 sein wird, ist entscheidend dafür, wie die Ampel das Etatproblem lösen kann. Der CDU-Politiker Helge Braun verwies auf Zahlen des Bundesrechnungshofes: "Rechnet man wie bei der Haushaltsaufstellung noch geplant den bisherigen WSF- Wirtschaftsplan dazu, wären es 48,5 Milliarden Euro", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses zu Reuters. "Ich gehe von einem höheren zweistelligen Milliardenbetrag aus", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast. Lindner hatte in den vergangenen Tagen zuvor dagegen von einer Lücke von zehn bis 20 Milliarden Euro gesprochen und dies nun präzisiert.

Am Abend rief Scholz zu Investitionen auf. Der Kanzler verwies darauf, dass die USA den klimaneutralen Umbau mit dem Inflation Reduction Act (IRA) mit Milliardensubventionen vorantrieben, um abgewanderte Industrien zurückzuholen. In China würden mehr Solaranlagen, Windräder, Batteriefabriken und E-Autos gebaut als irgendwo sonst auf der Welt - auch mit massiven Subventionen in eine staatlich gelenkte Wirtschaft. "Die Welt wartet nicht auf uns. Um unsere Stärken zu nutzen, müssen wir uns jetzt auch trauen zu investieren", sagte der SPD-Politiker.

(Bericht von Christian Krämer, Andreas Rinke; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)