Reuters

Ifo und DIW senken Prognosen - "Unsicherheit verzögert Erholung"

14.12.2023
um 12:27 Uhr

Berlin (Reuters) - Führende Wirtschaftsforschungsinstitute senken reihenweise ihre Konjunkturprognosen für Deutschland - auch wegen der Haushaltkrise im Bund.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde im kommenden Jahr nur um 0,9 Prozent zulegen, sagte das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag voraus. Im September hatte es noch 1,4 Prozent erwartet. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin halbierte seine Prognose sogar auf 0,6 Prozent. Für 2025 rechnen die Institute mit einem etwas kräftigeren Wachstum von 1,3 beziehungsweise 1,0 Prozent. Zuvor hatten bereits das Kieler Institut für Weltwirtschaft und das arbeitgebernahe IW Köln den Daumen über die deutschen Konjunkturaussichten gesenkt.

"Unsicherheit verzögert derzeit die Erholung", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser mit Blick auf die Etatkürzungen der Bundesregierung. Dadurch erhöhe sich die Sparneigung der Konsumenten, während die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und privaten Haushalten sinke. "Sicher geglaubte Investitionsvorhaben stehen jetzt zur Disposition", sagte die Co-Leiterin des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik am DIW, Geraldine Dany-Knedlik, mit Blick auf die Haushaltskrise des Bundes. "Fördergelder können womöglich nicht fließen." Diese Kürzungen und Unsicherheiten dürften das Wachstum 2024 um 0,3 und 2025 um 0,2 Prozentpunkte drücken.

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Regierung die Übertragung von ungenutzten Corona-Hilfskrediten über 60 Milliarden Euro in den Klimafonds KTF untersagt. Um die Lücke zu schließen, sind unter anderem ein höherer CO2-Preis für Sprit und Heizstoffe geplant. Außerdem wird Flugbenzin besteuert, während ein Milliarden-Zuschuss zu den Strom-Netzentgelten entfällt. "Die Einigung zum Haushalt 2024 ist ein fauler Kompromiss und eine große verpasste Chance, Deutschland wieder zukunftsfähig zu machen", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Ifo-Chef Clemens Fuest sagte, in Deutschland gebe der Staat mehr Geld aus als in anderen Ländern. "Die Politik hat sich entschieden, den Konsum zu priorisieren und nicht die Investitionen", sagt Fuest.

ENTSPANNUNG BEI INFLATION

Grundsätzlich sehen die Institute aber die Weichen auf Erholung gestellt. Die Löhne dürften kräftig steigen, während die Beschäftigung so hoch ist wie nie zuvor. Damit kehre die Kaufkraft zurück. Auch dürfte bei den Zinsen der Höhepunkt bereits überschritten sein. Die gestiegenen Zinskosten hatten vor allem der Bauwirtschaft zugesetzt.

Entspannung erwartet das Ifo-Institut bei der Inflation. In der zweiten Jahreshälfte 2024 dürfte die Teuerungsrate wieder beim EZB-Ziel von zwei Prozent liegen, wozu vor allem sinkende Energiepreise beitragen sollen. Die Inflation der konsumnahen Dienstleistungen werde allerdings noch eine Weile deutlich über drei Prozent liegen, da dort kräftig steigende Löhne zu Buche schlügen.

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte dagegen noch eine Weile bremsen. "Erst nach der für den Sommer erwarteten Zinswende dürfte wieder graduell mehr investiert werden", sagte der Co-Leiter der DIW-Konjunkturforschung, Timm Bönke mit Blick auf erwartete Zinssenkungen. "Auch der Export ist kein großer Lichtblick, die internationale Nachfrage schwächelt weiter."

Die Zahl der Arbeitslosen wird der Ifo-Prognose zufolge im laufenden Jahr voraussichtlich um 191.000 Personen und 2024 um weitere 82.000 Personen steigen. 2025 soll dann ein Rückgang um 113.000 folgen.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Reinhard Becker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)