Reuters

Studie - Abkoppelung von China wäre Schock für Wirtschaft wie Finanzkrise

14.12.2023
um 13:07 Uhr

Berlin (Reuters) - Eine Abkopplung von China wäre einer Studie zufolge für die deutsche Wirtschaft ein schwerer Schlag ins Kontor.

Bei einem abrupten Handelsstopp mit der Volksrepublik würde die hiesige Wirtschaft um rund fünf Prozent einbrechen, wie am Donnerstag veröffentlichte Simulationsrechnungen unter Federführung des Kiel Instituts für Weltwirtschaft ergaben. "Der Handel mit China bringt uns Wohlstand und ist kurzfristig praktisch nicht zu ersetzen, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. Der Schock durch eine Abkoppelung wäre demnach vergleichbar mit dem nach der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie.

Wenn es in einem solchen Extrem-Szenario zu einer "Zeitenwende innerhalb der Zeitenwende" kommen sollte, hätte dies zwar erhebliche ökonomische Effekte, sagte der IfW-Chef: "Doch es würde ein Schock sein, der im Rahmen dessen liegt, was wir in der Vergangenheit in wirklich schweren Krisen auch schon bewältigt haben."

Mittel- bis langfristig pendelt sich der Verlust bei der Wirtschaftsleistung dem Szenario zufolge auf jährlich rund 1,5 Prozent ein. Bei einem schrittweisen, behutsamen Zurückfahren der Handelsbeziehungen würden die hohen Anfangskosten vermieden. Hohe Kosten würden für Deutschland laut Studie vor allem durch die kurzfristigen Auswirkungen eines plötzlichen Handelsabbruchs entstehen, da bestehende Handelsverbindungen mit China nicht umgehend kompensiert werden könnten.

Chinas Präsident Xi Jinping hat die Europäische Union davor gewarnt, sein Land als Rivalen zu betrachten und auf einen Konfrontationskurs zu gehen. Auf einem Gipfeltreffen in Peking mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und anderen EU-Spitzenvertretern erklärte Xi jüngst die Bereitschaft zu einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Die EU will aber keinen unfairen Konkurrenzkampf hinnehmen, wie von der Leyen betonte. Die EU-Staaten kritisieren Wettbewerbsnachteile auf dem chinesischen Markt, aber auch Chinas Drohungen an Taiwan sowie seine enge Partnerschaft mit Russland, insbesondere mit Blick auf den Ukraine-Krieg.

Der Chef des China-Instituts Merics, Mikko Huotari, sieht kaum Aussicht auf strukturelle Verbesserungen mit Blick auf die Natur der von der Kommunistischen Partei und dem Staat betriebenen Wirtschaftspolitik in China. Die Debatten über einen verbesserten Marktzugang hält er für etwas überkommen. Die Regierung in Peking wolle sich mit einer Art "produktionszentrierten Wirtschaftspolitik" durchsetzen, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben habe. Jüngste Signale stimmten nicht optimistisch, dass Priorität auf Reform und Öffnung gesetzt werde und strukturelle Reformen in China anstünden: "Wir kommen auf eine Phase des handelspolitischen Streits mit China zu", warnte Huotari.

AUCH WOHLSTANDSEINBUSSEN BEI "DE-RISKING"

Die Bundesregierung hatte im Juli eine Strategie für den Umgang mit China vorgelegt. Sie strebt ein sogenanntes De-Risking an, also keine Abkopplung sondern eine größere Unabhängigkeit der Wirtschaft. Dahinter steckt die Absicht, sich angesichts geopolitischer Risiken in kritischen Bereichen nicht zu abhängig von der Volksrepublik zu machen. Deutsche Firmen werden aufgefordert, ihre Risiken im China-Geschäft abzubauen und sogenannte Klumpenrisiken beim Fokussieren auf einen großen Markt stärker intern einzupreisen. In diesem De-Risking-Szenario, in dem sich die deutsche Wirtschaft nur teilweise von China löst, grundsätzlich aber die Handelsbeziehungen aufrechterhält, wären den IfW-Berechnungen zufolge mittel- bis langfristig Wohlstandseinbußen von jährlich rund einem halben Prozent zu erwarten.

(Bericht von Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)