Reuters

Mauer Ausblick und Abschreibung bei ProSiebenSat.1 verprellen Anleger

20.12.2023
um 15:57 Uhr

Berlin (Reuters) - Kurz vor Weihnachten verschreckt ProSiebenSat.1 Anleger und Investoren.

Der Fernsehkonzern kündigte Abschreibungen und Rückstellungen von insgesamt bis zu 340 Millionen Euro an. Zudem gilt der Ausblick eines nur stagnierenden Gewinns für 2024 Händlern zufolge als enttäuschend und drückte die Aktie am Mittwoch rund sechs Prozent ins Minus. Die Lage und einige Management-Entscheidungen der Bayern sorgten auch beim italienischen Großaktionär MFE von der Berlusconi-Familie für zunehmende Ungeduld, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus dem MFE-Umfeld. Demnach könne die "Schonfrist" für den Aufsichtsratsvorsitzenden Andreas Wiele und Konzernchef Bert Habets allmählich auslaufen. "Es scheint fraglich, ob die erhofften Effekte der veränderten Content-Strategie kurz- und mittelfristig eintreten werden", sagte ein Insider. ProSiebensat.1 lehnte einen Kommentar dazu ab.

Die Senderkette setzt künftig mehr auf exklusive lokale Programminhalte und fährt den Anteil von US-Filmen und -Serien zurück. Dies sorgt zum einen 2024 für einen Anstieg der Programminvestitionen um rund 80 Millionen Euro auf etwa 1,05 Milliarden Euro, wie der Konzern am Dienstagabend mitgeteilt hatte. Zudem beschloss der Vorstand, noch 2023 eine Wertabschreibung von bis zu 250 Millionen Euro auf vorhandenes Programmvermögen vorzunehmen sowie eine Rückstellung von bis zu 90 Millionen Euro. Hintergrund ist, dass das Unternehmen früher erworbene Lizenzinhalte von Hollywood Studios nicht mehr ausstrahlen wird und deshalb eine Wertberichtigung macht.

Für 2024 rechnen die Bayern mit einem Umsatzplus sowie einem stagnierenden bereinigten operativen Gewinn (adjusted Ebitda). Für das zu Ende gehende Geschäftsjahr bestätigte ProSiebensat.1 seine bisherige Prognose. Konzernchef Habets bekräftigte den Fokus auf Unterhaltung und die Streamingplattform Joyn. Der jüngste Erfolg der Programme zeige, dass sich der neue Kurs auszahle. "Wir gehen jetzt den nächsten strategischen Schritt und werden ab 2024 deutlich mehr in lokale Inhalte investieren."

Der seit gut einem Jahr amtierende Habets musste sich mit den Großaktionären MediaForEurope (MFE) und der tschechischen PPF-Gruppe arrangieren. Der Niederländer und frühere RTL-Chef kappte die Dividende für mehr Investitionen, verpasste ProSiebenSat.1 ein Sparprogramm und baute 400 Vollzeitjobs ab. Die Familie des früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi ist seit Mai 2019 bei ProSiebenSat.1 an Bord und hat ihren Anteil stetig erhöht. MFE kündigte im September an, man halte direkte Stimmrechte von 26,6 Prozent und samt Finanzinstrumenten 28,9 Prozent. Zuletzt hat sich die Stimmung zwischen beiden Seiten verbessert, nachdem die Vorgänger von Habets Avancen aus Mailand immer zurückgewiesen hatten. MFE will den deutschen Konzern stärker in seine TV-Wachstumspläne in Europa einbinden. Zudem solle ProSiebenSat.1 sich mehr auf Unterhaltung konzentrieren und sich von Beteiligungen abseits des Kerngeschäfts trennen. Im Umfeld von MFE hieß es nun, es mangele an Fortschritt bei der Bereinigung der Portfoliostruktur.

Derweil nehmen die Kartellbehörden in Österreich erneut das verstärkte MFE-Engagement bei ProSiebenSat.1 genau unter die Lupe. Die Bundeswettbewerbsbehörde in Wien teilte mit, nötig sei nun eine "vertiefte Prüfung des Vorhabens" durch das Kartellgericht. MFE beabsichtige, seine Beteiligung an ProSiebenSat.1 (P7S1) bis zu dessen nächster Hauptversammlung auszubauen "und damit die faktische alleinige Kontrolle über P7S1 zu übernehmen". Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dies Auswirkungen auf die TV-Aktivitäten von ProSiebenSat.1 in Österreich habe und so auf die Medienvielfalt. Ein MFE-Sprecher hatte aber bereits im November hierzu bekräftigt, es handele sich nicht um eine Übernahme.

(Bericht von Klaus Lauer, Mitarbeit von Elvira Pollina und Stefanie Geiger, redigiert von Ralf Banser - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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