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Geteiltes Echo nach Grundsatzeinigung zur Reform der EU-Schuldenregeln

21.12.2023
um 13:12 Uhr

- von Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die Grundsatzeinigung zur Reform der europäischen Schuldenregeln ist auf ein geteiltes Echo gestoßen.

Während sich die Bundesregierung zufrieden mit dem Kompromiss der 27 EU-Finanzminister zeigte, kam Kritik von der in Umfragen führenden Union sowie Teilen der deutschen Wirtschaft. Monatelang hatten die EU-Staaten gerungen, um die alten Regeln, die nicht mehr als zeitgemäß gelten, noch rechtzeitig vor dem Jahresende zu überarbeiten. Hoch verschuldete EU-Staaten sollen nun mehr Zeit bekommen, ihre Haushaltsdefizite abzubauen, und auch zusätzliche Spielräume für Investitionen. Gleichzeitig wurden die Vorgaben an einigen Stellen verschärft, um mehr Sicherheitspuffer zu haben.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, die Stabilitätskultur in Europa werde gestärkt. "Der alte Stabilitätspakt war nicht mehr realistisch und wirksam." Deswegen seien Anpassungen nötig gewesen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem ausbalancierten Kompromiss. Es bestehe nun Raum für Investitionen. "Das war mir besonders wichtig."

Skeptisch äußerte sich dagegen Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer: "Die Gefahr ist groß, dass die vielerorts gefeierte Flexibilität beim Schuldenabbau missbraucht wird, um neue Schulden anzuhäufen. Es ist ein Fehler, dass weiterhin allein die EU-Kommission über die Einhaltung der neuen Regeln wachen soll, nachdem sie 20 Jahre lang an dieser Aufgabe gescheitert ist." Europa falle in puncto Wettbewerbsfähigkeit zurück, obwohl die Verschuldung in der EU immer weiter gestiegen sei. Es brauche also einen Kurswechsel.

Der frühere Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, kritisierte ebenfalls eine sehr starke Stellung der EU-Kommission, die bislang finanzpolitisch nicht überzeugt habe. "Ich bleibe sehr skeptisch." CDU-Haushaltsexperte Yannick Bury sagte, Lindner habe nur absolute Mindeststandards durchsetzen können. "Und die gehen auf Kosten der langfristigen finanzpolitischen Stabilität." Lindners öffentliche Aussagen passten nicht zu seiner konkreten Politik.

INSGESAMT LOCKERE REGELN, ABER MIT SICHERHEITSNETZ

Staaten mit zu hohen Schulden sollen künftig mit der EU-Kommission einen individuellen Plan ausarbeiten, um die Werte über einen Zeitraum von vier oder in Ausnahmefällen sieben Jahren zu verbessern. Durch den genaueren Zuschnitt auf die konkrete Situation eines Landes wird gehofft, dass Schuldensünder einen stärkeren Anreiz haben, ihre mit Brüssel abgestimmten Ausgabenpläne auch einzuhalten. Automatische Sanktionen wird es weiterhin nicht geben. Hier war der Widerstand gegen entsprechende Überlegungen zu groß.

Länder mit einer Schuldenquote von über 90 Prozent der Wirtschaftsleistung müssen ihre Schuldenstände künftig um mindestens ein Prozent pro Jahr reduzieren, moderat verschuldete Staaten mit einer Quote zwischen 60 und 90 Prozent nur um 0,5 Prozent. Im Vergleich zu den bisherigen Regeln ist das Tempo damit deutlich geringer. Die Vorgabe zum maximal erlaubten Haushaltsdefizit von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes wird dagegen strenger ausgelegt. Die Obergrenze bleibt zwar, aber es wird ein Sicherheitsnetz eingezogen. 1,5 Prozent sollen als Puffer genutzt werden, um im Falle von Konjunktureintrübungen Spielräume zu haben und nicht gleich die Marke von drei Prozent zu reißen.

Die geplante Reform werde in den nächsten Tagen final in Rechtstexte gegossen, sagte ein Vertreter der Bundesregierung, der an den Verhandlungen beteiligt war. "Das ist aber ein formaler Akt." Die Bundesregierung sei sehr zufrieden mit dem Kompromiss. Weil die alten, noch ausgesetzten Regeln ab Anfang 2024 wieder greifen und die Europawahl im Frühsommer vor der Tür steht, drängte eine Einigung, um diese noch rechtzeitig umsetzen zu können.

(Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)