Reuters

Staatsdefizit steigt - Zinsausgaben des Bundes fast verdreifacht

11.01.2024
um 10:32 Uhr

Berlin (Reuters) - Höhere Zinsausgaben, teure Energiehilfen und die Kosten für das Deutschlandticket haben das Defizit des deutschen Staates in den ersten drei Quartalen 2023 anschwellen lassen.

Die Ausgaben von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung überstiegen die Einnahmen um 91,5 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Damit fiel das Minus um 25,8 Milliarden Euro höher aus als im Vorjahreszeitraum. Während die Einnahmen um 6,1 Prozent auf 1337,8 Milliarden Euro zulegten, erhöhten sich die Ausgaben um 7,7 Prozent auf 1429,3 Milliarden Euro gegenüber

Das Defizit geht vor allem auf das Konto des Bundes (-75,9 Milliarden Euro). Hier schlagen etwa Energiehilfen wie die Strom- und Gaspreisbremse für private Haushalte und Unternehmen zu Buche. Aber auch Gemeinden und Gemeindeverbände (-11,4 Milliarden Euro) sowie der Sozialversicherung (-7,2 Milliarden Euro) schrieben rote Zahlen. Lediglich die Bundesländer kamen auf Plus von 3,1 Milliarden Euro. "Die Schieflage der föderalen Finanzbeziehungen hält an", schrieb das Bundesfinanzministerium dazu auf dem Kurznachrichtendienst X (früher Twitter). Es kritisiert seit längerem ein Ungleichgewicht, da der Bund die Hauptlast der Krisenfinanzierung stemme, während Länder und Kommunen etwa durch Finanztransfers zugleich entlastet würden.

"Beim Bund setzte sich der Trend stark gestiegener Zinsaufwände fort", erklärten die Statistiker. "39,4 Milliarden Euro bedeuten fast dreimal mehr Zinszahlungen als im Vorjahreszeitraum." Grund dafür ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation auf 4,5 Prozent angehoben hat. Dadurch wird auch für die öffentliche Hand die Finanzierung teurer. Die Zinslast der Länder stieg ebenfalls, und zwar um 8,3 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. Die Zinsausgaben der Kommunen legte um 40,6 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro zu. Auf der anderen Seite haben sich die Zinseinnahmen bei Bund (9,3 Milliarden Euro), Ländern (1,9 Milliarden Euro) und Gemeinden (1,1 Milliarden Euro) in etwa verdoppelt, bei der Sozialversicherung sogar fast verachtfacht.

Ein weiterer Grund für das Defizit ist, dass nun die Verbindlichkeiten der Verkehrsunternehmen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in die Berechnung einfließen. "Hintergrund dafür ist, dass zur Finanzierung des zum 1. Mai 2023 eingeführten Deutschlandtickets die rund 440 öffentlichen ÖPNV-Unternehmen Zuweisungen und Zuschüsse von Bund und Ländern erhalten", so die Statistiker. "Dadurch finanzieren sie sich nicht mehr überwiegend durch ihre Umsatzerlöse und werden nach dem Konzept der Finanzstatistiken ausnahmslos als Extrahaushalte klassifiziert."

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sieht in dem höheren Defizit kein ökonomisches Problem. "Der Fehlbetrag lag trotz krisenbedingter Mehrausgaben etwa für die Energiepreisbremsen deutlich unter jenem der Jahre 2020 und 2021", sagte der wissenschaftliche Direktor Sebastian Dullien. 2023 dürfte das gesamtstaatliche Defizit deutlich unter zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen und damit unter den 2022 verbuchten 2,5 Prozent. "Dieser Rückgang ergab sich, obwohl sich die deutsche Wirtschaft in einer leichten Rezession befindet", sagte Dullien.

(Bericht von Rene Wagner; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)