Reuters

Vorwurf des Völkermords gegen Israel - Anhörung vor UN-Gericht

11.01.2024
um 17:27 Uhr

Den Haag (Reuters) - Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat am Donnerstag die Anhörung einer Klage Südafrikas gegen Israel wegen des Vorwurfs des Völkermords an den Palästinensern im Gazastreifen begonnen.

Der Vertreter Südafrikas warf Israel vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen in seiner Einlassung "völkermörderisches Handeln" vor und Verglich den Umgang mit den Palästinensern mit dem Apartheid-System der Rassentrennung. Israel weist den Vorwurf zurück. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat wie die US-Regierung deutlich gemacht, dass der Vorwurf Südafrikas haltlos sei.

Die Anhörungen sind für Donnerstag und Freitag geplant, im Anschluss folgt das Hauptsacheverfahren. Südafrika fordert, dass das Gericht einen sofortigen Stopp der israelischen Angriffe im Gazastreifen anordnet. Die Urteile des Gerichtshofs haben allerdings vor allem symbolischen Charakter, da sie nur schwer zu vollstrecken sind. Israel hat als Reaktion auf das Hamas-Massaker vom 07. Oktober einen Feldzug im Gazastreifen mit dem erklärten Ziel gestartet, die radikal-islamische Organisation zu vernichten. Dabei sind nach Hamas-Angaben bislang mehr als 23.000 Menschen getötet worden. Bei dem Massaker am 07. Oktober wurden 1200 in Israel getötet, die meisten davon Zivilisten, und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

"Völkermord setzt per Definition die Absicht voraus, Angehörige einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten", sagte Baerbock am Mittwoch am Rande eines Besuchs in der libanesischen Hauptstadt Beirut. "Diese Absicht kann ich bei Israels Selbstverteidigung gegen eine bewaffnete Terrororganisation der Hamas nicht erkennen." Die Bundesregierung werde die Anhörung genau verfolgen und im Hauptsacheverfahren "ihre Rechtsauffassung zur Auslegung der Volkermordkonvention durch eigene Intervention darlegen", kündigte die Ministerin an.

"HEUTE STEHT DIE GERECHTIGKEIT AUF DEM PRÜFSTAND"

Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Lior Haiat, erklärte, die Klage Südafrikas lasse das Faktum außer acht, "dass Hamas-Terroristen in Israel eingedrungen sind und israelische Staatsbürger gemordet, exekutiert, massakriert, vergewaltigt und entführt haben, nur weil sie Israelis waren, in einem Versuch, einen Völkermord zu begehen." Noch nie seit dem Holocaust wurden so viele Juden an einem Tag ermordet wie am 07. Oktober. "Heute werden wir Zeuge einer der größten Shows der Heuchelei in der Geschichte, bestehend aus einer Serie falscher und haltloser Anschuldigungen", schrieb er auf X.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte bei einem Besuch in Jerusalem, man könne Israel zwar für ein zu hartes Vorgehen im Gazastreifen kritisieren. "Das ist aber nicht Völkermord." Im Gegensatz dazu wolle die Hamas den Staat Israel auslöschen. Dagegen sagte der Hamas-Vertreter Sami Abu Suhri der Nachrichtenagentur Reuters: "Heute steht die Gerechtigkeit auf dem Prüfstand." Hamas appelliere an das Gericht, jeglichem Druck entgegenzustehen und die israelische Besetzung zu kriminalisieren und die Aggression zu stoppen.

Grundlage des Internationalen Gerichtshof ist die Völkermordkonvention von 1948, die die UN-Generalversammlung als Reaktion auf den Holocaust verabschiedete. Zugang zu dem Gericht haben nur Vertragsstaaten. 124 Staaten sind dem Statut beigetreten.

(Bericht von Stephanie van den Berg, Anthony Deutsch, Toby Sterling und Alexander Ratz, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)