Reuters

Opposition wirft Ampel Verfassungsbruch beim Etat 2024 vor

19.01.2024
um 16:02 Uhr

- von Holger Hansen

Berlin (Reuters) - Trotz Bedenken der Opposition sieht sich die Ampel-Koalition beim Bundeshaushalt 2024 rechtlich auf der sicheren Seite.

Die Haushälter von SPD, Grünen und FDP wiesen am Freitag Kritik aus Union und AfD zurück, der Etat sei in Teilen verfassungswidrig. Die Ampel-Politiker unterstrichen, der Haushalt ermögliche trotz Einsparungen ein neues Förderprogramm im Wohnungsbau und den Aufbau eines Kapitalstocks für eine Aktienrente. Gravierende Einschnitte im Sozialen seien vermieden worden. Die Schuldenbremse soll 2024 erstmals seit 2019 wieder greifen. Die Koalition hält sich aber die Möglichkeit einer Aussetzung offen für den Fall, dass die Ukraine-Hilfe noch mehr Mittel erfordert.

"Wir gehen da nicht unnötige verfassungsrechtliche Risiken ein", sagte FDP-Haushälter Otto Fricke beim Presseauftritt mit seinen Kollegen Dennis Rohde (SPD) und Sven-Christian Kindler (Grüne). Aus diesem Grund verzichte die Koalition auch darauf, von der BA die Rückzahlung von Zuschüssen zu verlangen, die der Bund aus Notlagen-Krediten in der Corona-Pandemie gezahlt hatte.

NEUVERSCHULDUNG VON BIS ZU 39 MRD EURO GEPLANT

Mit zweimonatiger Verspätung hatte die Ampel-Koalition am Donnerstagabend den Bundeshaushalt für 2024 festgezurrt. In der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses schwächten SPD, Grüne und FDP ihre Kürzungspläne nochmals ab. Zum Schließen der durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgerissenen Finanzierungslücke wird stattdessen vor allem eine unerwartet hohe Rücklage aus dem Jahr 2023 herangezogen.

Trotz Schuldenbremse kann Finanzminister Christian Lindner (FDP) bis zu 39 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Der Etat sieht Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro vor. Davon gelten 70,5 Milliarden Euro als Investitionen, zu denen aber auch die Erhöhung des Eigenkapitals der Bahn und Kredite von zwölf Milliarden Euro für den Kapitalstock einer Aktienrente gezählt werden. Beides fällt nicht unter die Schuldenbremse. Der Bundestag soll den Etat am 2. Februar verabschieden.

An den Kürzungen beim Agrar-Diesel hält die Ampel fest. Der Bauernverband kündigte "nadelstichartige" weitere Proteste ab Montag an. Damit werde die Hoffnung verbunden, die Abgeordneten bis zur Etat-Verabschiedung zum Einlenken bewegen zu können.

Erstmals will die Regierung auch die Nato-Quote erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Rohde bezifferte die Quote für 2024 auf 2,1 Prozent: "Die Berechnung dürfen wir nicht offenlegen, weil sie geschützt ist." Es ist aber bekannt, dass die Regierung dafür Ausgaben aus dem Verteidigungsetat und aus dem Bundeswehr-Sondervermögen, aber auch Aufwendungen anderer Ministerien heranzieht.

AMPEL HÄLT SICH HÖHERE VERSCHULDUNG OFFEN

Die Ampel-Koalition hält sich eine Aussetzung der Schuldenbremse für den Bundeshaushalt 2024 offen. Wenn im Laufe des Jahres die Ukraine noch stärker unterstützt werden müsse, werde darüber erneut gesprochen, sagte SPD-Haushälter Rohde: "Wir haben uns darauf verständigt, dass am Ende der ukrainische Freiheitskampf nicht der deutschen Haushaltslogik zum Opfer fallen darf." Kindler sagte, die Schuldenbremse müsse dann ausgesetzt werden, "weil sonst die finanziellen Möglichkeiten einfach nicht da sind". Deutschland verdoppelt die Militärhilfe für die Ukraine bereits auf rund acht Milliarden Euro.

Unions-Haushälter Christian Haase (CDU) warf der Koalition Tricksereien und verfassungsrechtlich fragwürdige Praktiken vor. Sondervermögen würden nicht so angerechnet, wie es vom Verfassungsgericht vorgeschrieben werde. Und die Koalition wolle 520 Millionen Euro für Material, das die Bundeswehr an die Ukraine abgegeben habe, aus dem Sondervermögen der Bundeswehr bezahlen. Eine erneute Klage strebt die Union vorerst aber nicht an: "Man muss sich das gut überlegen, ob man alle verfassungsrechtlichen Bedenken auch dann vor Gericht austrägt."

Die AfD bezifferte die geplante Neuverschuldung auf etwa 77 Milliarden Euro. Allein im Klima- und Transformationsfonds (KTF) seien 28 Milliarden Euro Neuverschuldung geplant, sagte AfD-Haushälter Peter Boehringer. Diese würden aber nicht auf die Schuldengrenze angerechnet. "Allein dadurch wird der Haushalt natürlich verfassungswidrig", sagte Boehringer. Die Ampel-Haushälter wiesen dies zurück. Dabei gehe es nicht um neue Kredite, sondern um die Rücklage des Klimafonds, die auch auf eigenen Einnahmen wie etwa der CO2-Abgabe beruhe. Die geplanten KTF-Ausgaben bezifferte Kinder auf 49 Milliarden Euro.

Die Wohnungswirtschaft begrüßte, dass Bauministerin Klara Geywitz (SPD) eine Milliarde Euro erhält für ein Förderprogramm zum Neubau energieeffizienter, kleiner Wohnungen. Für sie soll ein Mietpreiskorridor im unteren Drittel des Mietspiegels gelten. Für 2024 sind zehn Millionen Euro vorgesehen, aber Geywitz darf Ausgaben für die kommenden Jahre von bis zu einer Milliarde Euro eingehen. "In der derzeitigen Wohnungsbaukrise sind eine Milliarde Euro für den bezahlbaren Neubau genau das richtige Signal", erklärte der GdW-Spitzenverband.

(Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)