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Lindner bringt erneute Tilgungsstreckung für Corona-Schulden ins Spiel

02.04.2024
um 14:22 Uhr

Berlin (Reuters) - Zur Finanzierung der Bundeswehr ab 2028 zieht Finanzminister Christian Lindner in Betracht, die Tilgung der Rekordschulden aus der Corona-Pandemie erneut zu strecken.

Damit würde für den Verteidigungsetat zusätzlicher Ausgabenspielraum in Milliardenhöhe gewonnen, sagte der FDP-Chef in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur dpa. Voraussetzung sei, dass die Schuldenquote von zuletzt 63 Prozent bis dahin wieder unter den in der Europäischen Union (EU) vorgeschriebenen 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liege. Durch Ausgabendisziplin und Streckung bei den Tilgungsplänen ließen sich Lindner zufolge neun Milliarden Euro zusätzlich gewinnen.

"Wenn wir diese Grenze unterschreiten, dann könnte die ab 2028 vorgesehene Tilgung der Corona-Schulden neu diskutiert werden", sagte Lindner. Der Bund hatte 2020, 2021 und 2022 wegen Corona-Krise und Ukraine-Krieg unter Aussetzung der Schuldenbremse Kredite in Höhe von rund 300 Milliarden Euro aufgenommen. Derzeit ist ab 2028 eine Schuldentilgung von zunächst 9,2 Milliarden Euro und ab 2031 von 10,8 Milliarden Euro jährlich vorgesehen. "Wenn aber die Belastung der Pandemie im Schuldenstand dann schon überwunden ist, könnte die Tilgung wesentlich reduziert werden", sagte Lindner. "Damit stünde ein Milliardenbetrag zur Verfügung, der uns nach dem Ende des Sonderprogramms für die Bundeswehr helfen wird, den Sprung zum Nato-Ziel im Bundeshaushalt zu erreichen."

In der Bundesregierung läuft derzeit die Aufstellung des Haushalts für 2025 und des Finanzplans bis 2028. Das Jahr 2028 gilt als besonders schwierig, da im regulären Verteidigungsetat voraussichtlich zusätzlich 20 bis 25 Milliarden Euro benötigt werden, um die Nato-Ausgaben-Quote von 2,0 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erfüllen. Bis Ende 2027 dürfte der aus Schulden finanzierte 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bundeswehr nach derzeitigen Berechnung ausgeschöpft sein, der bis dahin die Lücke zwischen Wehretat und Nato-Quote schließt.

LINDNER: SPIELRÄUME OHNE ÄNDERUNG DER SCHULDENBREMSE

Auf der Plattform X machte Lindner deutlich, dass er seinen Vorschlag als Anreiz für Ausgabendisziplin versteht. "Wenn wir bei den Staatsfinanzen diszipliniert bleiben, dann liegt die Schuldenquote 2028 unter 60 Prozent und auf Vor-Corona-Niveau", erklärte Lindner. "Ohne die Schuldenbremse verändern zu müssen, sehe ich dann neue finanzielle Spielräume. Für die Bundeswehr werden wir sie brauchen."

"Ich nenne die Zahl neun Milliarden Euro zusätzlichen Spielraums im Jahr 2028, damit wir alle motiviert sind", sagte Lindner. Es gehe nicht darum, Auswege zu suchen, sondern durchzuhalten. "Denn wenn wir jetzt diesen Weg weiter konsequent fortsetzen, im Bundeshaushalt und auch bei den Sondervermögen, dann winkt uns diese Belohnung."

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Ampel-Koalition die Tilgung der Krisenkredite streckt, um sich Spielraum für Ausgaben zu verschaffen. Bereits 2022 hatten sich SPD, Grüne und FDP dieses Kniffs bedient, indem sie die Tilgungspläne für die Krisenkredite der Jahre 2020 und 2021 mit den neu geplanten Krediten für 2022 zusammenlegten und den Tilgungszeitraum auf 31 Jahre von 2028 bis 2058 festsetzten. Die Ampel gewann dadurch einen zusätzlichen Spielraum von mehreren Milliarden Euro jährlich, da die Tilgung der älteren Krisenkredite früher eingesetzt hätte und für einen kürzeren Zeitraum vorgesehen war.

(Bericht von Holger Hansen; Redigiert von Hans BusemannBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)