Reuters

Verbändebündnis warnt vor Wohnungsnot - Politik soll Baubranche helfen

11.04.2024
um 13:17 Uhr

Berlin (Reuters) - Mit einer Sonderförderung sollten Bund und Länder aus Sicht von Verbänden der Bau- und Immobilienbranche die Flaute im Wohnungsbau beheben.

Nötig seien jährlich Subventionen von 15 Milliarden Euro für 100.000 neue Sozialwohnungen und weitere acht Milliarden Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen, teilte das Verbändebündnis Wohnungsbau am Donnerstag mit. Zudem solle die öffentliche Hand die Bautätigkeit mit einem Zinsverbilligungsprogramm von einem Prozent anschieben.

Ferner appellierten die Branchenvertreter an die Politik, Baustandards und damit Herstellungskosten nicht weiter zu erhöhen. "Wir haben einen hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bei gleichzeitig viel zu hohen Baukosten, auch aufgrund von viel zu hohen Bau-Standards", sagte Dirk Salewski, Präsident des Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW).

"NICHT ZUCKERGUSS FÖRDERN, SONDERN BEZAHLBARES SCHWARZBROT"

Staatliche Förderung dürfe nicht nur Anreize setzen für extrem hohe Effizienz-Standards, mahnte Präsident Axel Gedaschko vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). "Am Ende kommen Wohnungen heraus, die eigentlich viel zu teuer sind", sagte Gedaschko. "Wir müssen nicht Zuckerguss fördern, sondern Schwarzbrot - das bezahlbare Schwarzbrot."

Die hohen Zinsen und Baukosten haben zuletzt für eine Flaute am Bau und hier vor allem beim Wohnungsbau gesorgt. Denn viele Privatleute können sich Bauen nicht mehr leisten, und für Investoren rentiert es sich derzeit kaum. Die Branche fordert deshalb Maßnahmen der Politik, um die Baukonjunktur anzukurbeln.

Die sieben Verbände - darunter die Gewerkschaft IG BAU, der Mieterbund und der Bauverband ZDB - präsentierten auf dem jährlichen Wohnungsbautag zwei in Auftrag gegebene Studien. Die Analyse des Kieler Bauforschungsinstituts ARGE kommt zum Schluss, dass der Staat dringend Sofort-Förderungen für den Neubau von Wohnungen bereitstellen sollte. Demnach fehlten derzeit 800.000 Wohnungen. Aktuell lebten über neun Millionen Menschen in Deutschland in überbelegten Wohnungen. Zudem sei jeder dritte Mieterhaushalt mit den Wohnkosten überlastet. "Durch die Krise im Wohnungsbau eskaliert die Wohnungsnot."

"ACHILLESFERSE DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT"

ARGE-Studienleiter Dietmar Walberg bezeichnete viele Normen, Vorgaben und Auflagen als überzogen. Seit 2020 hätten sich die Baukosten um 42 Prozent verteuert. "Um schnell wieder bezahlbare Wohnungen bauen zu können, müssen sofort alle Möglichkeiten genutzt werden, die Baukosten zu senken." Das gehe nur über geringere Standards. "Wir müssen einfacher bauen."

Die Branche sorgt sich um den Verlust von Jobs. "Die Gefahr besteht", sagte ZDB-Präsident Wolfgang Schubert-Raab. Sollten Fachkräfte die Bauwirtschaft wegen der mauen Aussichten verlassen, brauche man die fünffache Zeit, um solches Personal später zurückzugewinnen, warnte der Bundesvorsitzende Robert Feiger von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Das könne man sich nicht leisten.

Eine Studie des Beratungsunternehmens des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Econ) bescheinigte dem Wohnungsbau eine Schlüsselrolle für die Wirtschaft. Denn die Branche habe 2023 eine Bruttowertschöpfung von insgesamt rund 537 Milliarden Euro erwirtschaftet und damit jeden siebten Euro der gesamten Bruttowertschöpfung. Laut DIW leistet der Wohnungsbau einen ähnlich großen Beitrag zur Wirtschaft wie die Autobranche. Aber die Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau seien drei Jahre in Folge rückläufig und dürften 2024 um nominal 5,4 Prozent sinken. DIW-Studienleiter Martin Gornig sieht im Wohnungsbau eine "Achillesferse der deutschen Wirtschaft".

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)