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Forscher - Wohnsitzauflagen und Arbeitsverbote für Geflüchtete dämpfen Job-Chancen

18.04.2024
um 12:17 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, Einschränkungen beim Wohnsitz und Beschäftigungsverbote verringern laut einer Studie die Wahrscheinlichkeit, dass Asylsuchende eine Arbeit aufnehmen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag veröffentlichte Langfristuntersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zur Erwerbstätigkeit von Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland kamen. Positiv seien Integrationskurse, berufsbezogene Sprachkurse und Beratung durch Jobcenter und Arbeitsagenturen. "Ein früherer Beginn dieser Maßnahmen könnte die Arbeitsmarkt-Integration von Geflüchteten beschleunigen", erklärte Yuliya Kosyakova vom IAB.

Die Studie des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt laut den Autoren, dass die Erwerbstätigkeit der Geflüchteten mit der Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland steigt. Aber es gebe große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Von den 2015 zugezogenen geflüchteten Frauen seien 2022 31 Prozent erwerbstätig gewesen, von den Männern 75 Prozent. 90 Prozent aller beschäftigten Geflüchteten hatten demnach 2022 eine sozialversicherungspflichtige Arbeit. Die mittleren Bruttomonatsverdienste lägen bei 2250 Euro.

SOZIALLEISTUNGSBEZUG SINKT VON 89 AUF 39 PROZENT

Auch der Bezug von Sozialleistungen verringere sich über die Jahre. Von den 2015 zugezogenen Geflüchteten hätten 2016 89 Prozent Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitslosengeld II oder aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. 2022 habe der Anteil noch 39 Prozent betragen. Darunter seien auch erwerbstätige Geflüchtete, von denen 21 Prozent ergänzende Leistungen aus dem Bürgergeld erhielten.

Die Studie unterstreicht nach Einschätzung der Autoren, dass Wohnsitzauflagen für Asylsuchende und ortspezifische Wohnortbeschränkungen die Chancen für eine Integration in den Arbeitsmarkt verringern. Dies gelte auch für Beschäftigungsverbote. In den ersten drei Monaten nach dem Asylantrag ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit generell verboten. Danach galt bis Ende 2023 bis zur Entscheidung über den Asylantrag ein Beschäftigungsverbot von bis zu neun Monaten. Durch eine Gesetzesänderung dürfen Asylbewerber nun bereits nach sechs Monaten arbeiten. Die verbleibenden Verbote dürften der Studie zufolge aber weiterhin negative Auswirkungen haben.

Die seit dem russischen Angriff im Februar 2022 nach Deutschland gekommenen über eine Million Geflüchteten aus der Ukraine sind in der Studie nicht berücksichtigt. Um ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen, hatte die Bundesregierung vor einem halben Jahr einen sogenannten Job-Turbo beschlossen, der vor allem aus einer engeren Betreuung durch Jobcenter besteht.

(Bericht von Holger Hansen; Redigiert von Hans BusemannBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)