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Macron mahnt Europa zu verstärkter Verteidigung - "Unser Europa könnte sterben"

25.04.2024
um 13:32 Uhr

Paris (Reuters) - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Europa mit drastischen Worten zu einer verstärkten Verteidigung aufgerufen.

"Es besteht die Gefahr, dass unser Europa sterben könnte", warnte der Staatschef am Donnerstag in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne-Universität. Europa stehe an einem Wendepunkt und müsse mehr tun, um mit rasch wieder aufrüstenden globalen Rivalen konkurrieren zu können.

Die größte Gefahr für die Sicherheit Europas sei der Krieg in der Ukraine: "Die Grundvoraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass Russland diesen Angriffskrieg nicht gewinnt", sagte Macron. Er schlug die Schaffung einer europäischen Militärakademie vor. Zudem müsse Europa den Bereich Cybersicherheit stärken und die heimische Rüstungsindustrie fördern: "Wie können wir unsere Souveränität, unsere Autonomie aufbauen, wenn wir nicht die Verantwortung übernehmen, unsere eigene europäische Verteidigungsindustrie aufzubauen?"

Auf Verteidigungsebene gelte es zudem, die Verbindungen zu dem EU-Aussteigerland Großbritannien zu stärken. Macron bezeichnete den Brexit als eine der "beispiellosen Krisen", mit denen Europa in den vergangenen Jahren konfrontiert war. Er sprach von einer "Explosion", deren negative Auswirkungen dazu geführt hätten, dass niemand mehr einen Austritt propagiere - weder aus der EU noch aus dem Euro.

KEIN "VASALL" DER USA

Macron sagte, Europa müsse in der Lage sein, einen Dialog mit Drittländern aufzunehmen und zu zeigen, dass es kein "Vasall" der USA sei. Wirtschaftlich drohe der alte Kontinent im internationalen Kontext zurückzufallen und müsse sein Wachstumsmodell überdenken. Berater des Präsidenten bezeichnen die Rede als Beitrag Frankreichs zur strategischen Agenda der EU für die nächsten fünf Jahre. Über die Agenda soll nach den Europawahlen entschieden werden, die im Juni anstehen.

Macron knüpft mit seinem Auftritt an eine Grundsatzrede aus dem Jahr 2017 an selber Stelle an: Damals entwarf er die Vision einer "europäischen Souveränität" und "strategischen Autonomie" - Begriffe, die in Brüssel inzwischen zu geflügelten Worten geworden sind. Konkret schlug Macron damals ein gemeinsames Budget der Euro-Staaten vor. Bis zum nächsten Jahrzehnt sollte es zudem einen EU-Verteidigungshaushalt geben.

Macron hatte in jüngster Zeit zudem mit der Bemerkung für Aufmerksamkeit gesorgt, dass der Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen sei. Solche Überlegungen treffen bei Bundeskanzler Olaf Scholz auf Ablehnung. Als weitere Beispiele von Interessenkonflikten nannte Regierungssprecher Steffen Hebestreit unlängst zudem geplante gemeinsame Projekte wie die Entwicklung eines Kampfflugzeuges und eines Kampfpanzers.

Macron verlor 2022 seine parlamentarische Mehrheit. Auch seine persönlichen Popularitätswerte in Frankreich sind gesunken. Seine zentristische Partei Renaissance liegt in den Umfragen vor den Europawahlen im Juni hinter dem rechtsextremen Rassemblement National (RN).

(Bericht von Gabriel Stargardter, Dominique Vidalon und Michael Rose; geschrieben von Reinhard Becker; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)