Die Wiedergeburt des US-amerikanischen Retails

29.01.2018
um 14:23 Uhr

Der erste Monat des neuen Jahrs neigt sich dem Ende zu und die Märkte verbleiben weiterhin in einer dynamischen Rallyphase. Dabei ist diese Entwicklung keineswegs zufällig. Die Bewegung ist fundamental begründet und basiert auf einer positiven Konjunkturentwicklung, die sich Ende 2017 bereits in den starken makroökonomischen Daten widerspiegelte. Auch die chinesische Wirtschaft blieb weiterhin stabil und die geopolitische Situation um Nordkorea scheint sich Schritt für Schritt zu beruhigen, was ebenfalls zur positiven Stimmung auf den internationalen Handelsplätzen beiträgt.

Ein weiterer wichtiger Wachstumstreiber ist die angelaufene US-amerikanische Steuerreform, die nun u. a. zu höheren Gehältern bei Angestellten und höherer Flexibilität bei den Unternehmen führen wird. Das Ganze wird sich dann in den nächsten Perioden im höheren Wohlstand und folglich einem intensiveren Konsum niederschlagen, wovon der US-amerikanische Einzelhandel stark profitieren dürfte.

Den Anfang dieser Entwicklung sah man bereits im vergangenen Dezember, als US-amerikanische Einzelhandelsumsätze um 0,4 % auf 495,4 Mrd. USD zulegen konnten. Thanksgiving, Black Friday, Cyber Monday und die allgemeine Weihnachts- und Feriensaison sind in diesem Jahr sehr profitabel ausgefallen. Katalysiert wurde diese Entwicklung durch einen starken Arbeitsmarkt und ein freundliches Konsumklima, das den durchschnittlichen Amerikaner in Kauflaune versetzte.

Ein Topprofiteur des andauernden Kaufrauschs wird der Einzelhandel sein. Dabei erlebt die gesamte Branche aktuell eine Art Wiedergeburt und kann sich im digitalen Zeitalter und angesichts des immer stärker werdenden Drucks seitens der E-Commerce-Anbieter immer besser behaupten. Immerhin konnte der Sektor im vergangenen Jahr mit einem Wachstum von 25 % wirklich überzeugen und stellte damit sogar den S&P 500 (+23 %) in den Schatten. Katalysiert wurde diese Entwicklung auch durch den sogenannten Amazon-Effekt. Der E-Commerce-Gigant von Jeff Bezos kontrolliert mittlerweile rund 4 % des US-amerikanischen Retail-Markts, setzt seine Expansion weiter fort und macht damit das Leben klassischer Retailer immer schwerer. Und genau das spielte nun die entscheidende Rolle und versetzte die gesamte Branche in eine profitable „do-or-die“-Wandlung, womit wir nun zu den eigentlichen Topprofiteuren des Retailer-Trends gelangen.

Den Anfang macht heute der mit rund 304 Mrd. USD kapitalisierte Sektor-Leader Wal-Mart-Stores (WMT), der immense Anstrengungen auf sich nimmt, um nicht nur sein Online-Geschäft immer mehr ins Rollen zu bringen, sondern auch die Traffic- und Verkaufsintensität in seinen rund 11.700 klassischen Stores kontinuierlich zu steigern. Hinzu kommt die aggressive Akquisitionspolitik, womit man sich zukunftsträchtige Expertise aneignet. Der Konzern übernahm bereits Unternehmen wie Bonobos, ShoeBuy, Moosejaw, ModCloth und Jet.com und konnte damit explizit sein Online-Segment ausbauen. Was aber in dieser Hinsicht noch wichtiger ist, wäre die Tatsache, dass man dadurch zukunftsträchtige neue Online-Verkaufskategorien im Einzelhandel erforschen konnte. Damit wurde das Geschäftsportfolio um Premiumprodukte sowie innovative Brands wie die von Jet.com entwickelte und vertriebene Produktlinie „Uniquely J“ erweitert.

Amazon


Gleichzeitig übernahm man mit Parcel ein in New York ansässiges Zustellungsunternehmen. Damit hat man die die Voraussetzungen geschaffen, das Geschäft auf Ballungsräume zu erweitern, in denen der Aufbau eines klassischen WMT-Stores einfach unpraktisch und zu teuer gewesen wäre. Damit will der Konzern im Vergleich zu Amazon (AMZN) auf eine Mischung zwischen Einzelhandel und Online-Geschäft setzen, was sich in einer höheren Kundenloyalität widerspiegeln dürfte. „Die Zukunft wird ein Mix aus physischen Shops und online sein“, so der WMT-CEO Doug McMillen zu der 2018er-Entwicklungsstrategie. Auf der innovativen Ebene will WMT seinem Konkurrenten Amazon, der einen Dash-Button bereits eingeführt hat, mit einem smarten Betriebssystem begegnen. Denn dieses wäre genauso in der Lage, bei Bedarf die automatische Auffüllung des gängigen Produktbestands zu initiieren.  

Schließlich ist es die anlaufende Steuerreform, von der WMT im neuen Jahr explizit profitieren dürfte. Allein die angekündigte Absenkung der Körperschaftssteuer auf 21 % würde dem Konzern ein Milliardenersparnis einbringen. Gleichzeitig werden die im Ausland erwirtschafteten Gewinne zurückgeführt, womit man noch mehr Geld für weitere Investitionen und Akquisitionen hätte. Goldman Sachs hat sich bereits positiv zu der Unternehmensentwicklung geäußert und seine Ratingeinstufung von „Hold“ auf „Buy“ geändert. Das Kursziel wurde von 115 auf 117 USD angehoben. Damit verfügt der Konzern angesichts der positiven Konjunktur über eine sehr interessante Wachstumsstory, um 2018 zu den Topperformern in seinem Segment zu gehören.

Der Topkandidat Nummer zwei, den man unbedingt im Auge behalten sollte, ist der mit rund 41,75 Mrd. USD kapitalisierte Konzern Target (TGT), der sich auf den Verkauf von Lebensmitteln, Haushaltswaren, Bekleidung, Möbeln, Elektrogeräten und Körperpflegeprodukten auf großen Ladenflächen in rund 1.800 Stores in den USA und Kanada spezialisiert.

Target


An sich ist dies in den Zeiten von E-Commerce ein sehr schwieriges Segment, was TGT auch zu spüren bekommt. Um dieser Entwicklung zu trotzen, setzt das Unternehmen auf eine BOPIS (buy-online-pickup-in-store) Strategie, die durchaus gut zu funktionieren scheint. Immerhin hat TGT es in den vergangenen Monaten November und Dezember geschafft, rund 70 % seiner Online-Käufer zu weiteren Käufen in den physischen Geschäften zu animieren, was sich folglich in einem starken Quartalsergebnis und einer Erhöhung der Jahresprognose widerspiegelte.

Was hier allerdings zusätzlich gespielt wird, ist eine mögliche Übernahme durch Amazon (AMZN). Amazon hat nun tatsächlich erkannt, dass man, wenn man sich zum globalen und unangefochtenen Marktführer entwickeln möchte, nicht um die Expansion in das klassische Retail-Store-Geschäft herum kommt. Damit dürfte der E-Commerce-Riese in seiner zukünftigen Entwicklung genauso wie Wal-Mart auf eine gesunde Mischung aus online und offline setzen. Dabei scheint Target tatsächlich ein passender Übernahmekandidat zu sein, denn damit wird man weitere lukrative Kundengruppen hinzugewinnen und sich noch stärker im Kampf gegen den bereits thematisierten Wal-Mart behaupten können. Damit haben wir mit Amazon ebenfalls einen Top-Favoriten, der von der Wiedergeburt des klassischen Retails stark profitieren könnte.

Schließlich ist da die Aktie des mit rund 84,44 Mrd. USD kapitalisierten Konzerns Costco Wholesale (COST), den man im Sektor der klassischen Retailer beachten muss. Auch Costco erweitert Schritt für Schritt seine Online-Präsenz. Aktuell betreibt das Unternehmen eine Kette von 746 Geschäften in den USA, Puerto Rico, Canada, Mexico sowie in Asien und Europa. Hinzu kommt auch die für das Überleben notwendige Webpräsenz, womit man den Bogen zum E-Commerce-Unternehmen anpeilt. Das Webportal bedient aktuell Kunden aus den USA, Kanada, GB, Mexico, Korea und Taiwan, der Horizont wird aber kontinuierlich erweitert. Ungeachtet des hohen Drucks seitens Amazon und Co. gelingt es dem Unternehmen trotzdem gut zu performen und seine Umsätze zweistellig zu steigern, was an sich schon eine große Leistung ist. So stieg der Q1-Umsatz im Vergleich zum Vorjahreswert um 13,3 % auf 31,12 Mrd. USD (Konsens: 31,49 Mrd. USD). Das EPS von 1,45 USD lag dabei deutlich über den erwarteten 1,34 USD. Die Comparable Sales stiegen um 10,5 %, was angesichts des Konkurrenzdrucks zuversichtlich stimmt. Der Analyst Gordon Haskett hat zuletzt die robuste Unternehmensverfassung sowie die positive Entwicklung rund um die Same-Store-Sales honoriert und sein Rating von „hold“ auf „Buy“ angehoben. Das Kursziel wurde dabei von 200 auf 225 USD erhöht, was zur Trendfortsetzung führen dürfte.

Costco


Deutlich interessanter und innovativer ist dagegen die Aktie des mit rund 10,55 Mrd. USD kapitalisierten Konzerns Lululemon Athletica (LULU). Das Unternehmen ist ein US-amerikanischer Konzern, der sich auf die Herstellung von Sportbekleidung und Accessoires spezialisiert. Im Produktsortiment sind sowohl Artikel für klassische Sportarten wie Joggen, Fußball etc. als auch für aktuelle Trendrichtungen wie z. B. Yoga vorhanden, was für eine entsprechend solide Nachfragesituation sorgt. Dabei ist der Konzern im hochpreisigen Segment positioniert. Leggings können problemlos an die 100 USD kosten. Einen großen Teil der Umsätze erwirtschaftet die rund 400 Stores starke Bekleidungskette mit Produkten für Frauen. Geographisch ist der Konzern ebenfalls stark präsent. Neben den USA ist man in Australien, Ostasien und im Vereinigten Königreich aktiv.  

Lululemon


Seit dem letzten Quartal erleben wir auch im Bekleidungssegment des Retailer-Trends ein richtiges Comeback, wobei die Aktien von Michael Kors (KORS), G-III Apparel (GIII), Childrens Place (PLCE), Ross Stores (ROS) und Lululemon Athletica (LULU) kontinuierlich auf neue 52-Wochen-Hochs zogen. Was die Entwicklung bei LULU betrifft, so hat das Wachstum im Weihnachtsgeschäft weiter Fahrt aufgenommen. Bereits in den Vorquartalen erhöhte sich die Umsatz-Steigerungsrate von 5 %, 13 % auf 14 %. Im 4. Quartal soll der Umsatz nun bei 905–915 Mio. USD statt den vorher angepeilten 870–885 Mio. USD bei einem Nettogewinn von 1,25–1,27 USD je Aktie statt 1,19–1,22 USD je Aktie liegen. Aussichtsreich ist hier auch die charttechnische Situation. Die Aktie gewinnt immer mehr an Dynamik und peilt nun nach der Prognoseerhöhung für das 4. Quartal einen Big-Picture-Breakout aus einer seit 2012 andauernden Seitwärtsbewegung. Damit ist auch diese Aktie ein interessanter Kandidat für die Watchlist.

Abschließend werfen wir einen kurzen Blick auf einen deutlich spekulativeren Wert aus der Top-Wachstumsaktien-Rubrik: Five Below (FIVE). Dies ist ein mit rund 3,69 Mrd. USD kapitalisierter Retailer, der unterschiedliche Produkte wie Schuhe, Spiele, Kuscheltiere etc. für unter 5 USD verkauft. Insgesamt profitiert man von einer niedrigen Preissetzung, womit man der unnötigen und zerstörerischen Konkurrenz mit den zahlreichen E-Commerce-Anbietern wie AMZN und Co. profitabel entkommen kann. Im vergangenen 3. Quartal konnte der Konzern mit einem 28,9%igen Umsatzwachstum auf 257,2 Mio. USD überzeugen. Das EPS stieg dabei um 80 % auf 0,18 USD und lag deutlich über den erwarteten 0,13 USD. Die Same-Store-Sales verbesserten sich auf 8,5 %. Damit scheint auch Five Below angesichts des freundlichen Konsumklimas weiter auf Wachstumskurs zu sein und kann sein Store-Netzwerk profitabel erweitern. Diese Annahme wurde auch zuletzt durch das Konzernmanagement bestätigt, wobei man eine Erweiterung des Firmennetzwerks von 2.000 auf 2.500 Stores anpeilt.  

Five Below


Viel Erfolg und seien Sie profitabel!