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LSE schafft Basis für Börsenfusion - Fragezeichen bleiben

03.01.2017
um 14:21 Uhr

- von Andreas Kröner

Frankfurt (Reuters) - Die London Stock Exchange (LSE) will eine Tochterfirma nach Frankreich verkaufen und damit die Chancen für den geplanten Zusammenschluss mit der Deutschen Börse erhöhen. Bei einem erfolgreichen Abschluss der Fusion soll das Abwicklungshaus Clearnet SA für 510 Millionen Euro an die in Paris beheimatete Mehrländerbörse Euronext gehen, wie die Unternehmen am Dienstag mitteilten. Ob dieses Zugeständnis ausreicht, um die Bedenken der EU-Wettbewerbshüter gegen die britisch-deutsche Börsenhochzeit auszuräumem, steht Insidern zufolge allerdings in den Sternen. "Ich habe Zweifel, ob das reicht", sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Zustimmung der EU und der hessischen Börsenaufsicht sind die größten verbliebenen Hürden für die gut 25 Milliarden Euro schwere Fusion. Die EU-Kommission hat den Konzernen im Dezember in einem rund 300 Seiten langen Schreiben ("statement of objections") mitgeteilt, dass sie eine marktbeherrschende Stellung der Mega-Börse bei der Abwicklung von Derivategeschäften fürchtet. Bauchschmerzen hat die Behörde Insidern zufolge auch bei kurzfristigen Refinanzierungsgeschäften, sogenannten Repos, sowie bei Derivaten, die auf italienischen Wertpapieren basieren.

Die Wettbewerbshüter haben den Verkauf von Clearnet SA in ihrem Schreiben nicht berücksichtigt, da dieser formell noch nicht in Brüssel eingereicht wurde. Dies soll Insidern zufolge in den kommenden Tagen geschehen. Bei Bedarf könnten die Konzerne anschließend weitere Zugeständnisse machen. Denkbar sei etwa ein Verkauf der Mailänder Borsa Italiana, die zur LSE gehört, sagte eine mit den Gesprächen vertraute Person. Aktuell werde darüber jedoch nicht verhandelt, betonte ein anderer Insider. Deutsche Börse und LSE wollten sich dazu nicht äußern.

"ÜBERHAUPT NICHT KLAR, DASS DAS KLAPPT"

Abwicklungshäuser wie die Deutsche-Börse-Sparte Eurex Clearing sowie die LSE-Töchter LCH.Clearnet Limited und Clearnet SA springen ein, wenn am billionenschweren Derivatemarkt einer der Handelspartner ausfällt. Dadurch soll die Sicherheit des Finanzsystems erhöht werden. Die Euronext, die derzeit kein eigenes Clearinghaus hat, würde durch die Übernahme von Clearnet SA gestärkt, sagte Euronext-Chef Stephane Boujnah dem Sender CNBC. Das Unternehmen habe tiefe Taschen und auch andere Übernahmeziele im Viser. Deutsche Börse und LSE hoffen durch den Deal mit der Euronext auch die französische Politik milde zu stimmen, die in Brüssel bisher massiv Stimmung gegen den Mega-Zusammenschluss gemacht hat.

Von großer Bedeutung bei der Entscheidung der EU über die Börsenfusion ist, wie die Behörde den Derivatemarkt definiert. Darüber wird Insidern zufolge intensiv diskutiert. Ursprünglich hatte die Deutsche Börse gehofft, dass die Behörde außerbörslich gehandelte Derivate (OTC) und börsengehandelte Derivate weiter als zwei verschiedene Märkte ansieht. Die Deutsche Börse ist nämlich vor allem bei börsengehandelten Derivaten stark, die LSE im OTC-Geschäft. Doch mittlerweile deutet sich an, dass die EU den Markt möglicherweise anders beurteilt als bei der untersagten Fusion von Deutscher Börse und New York Stock Exchange (Nyse) vor fünf Jahren. "Die Marktdefinition scheint sich jetzt zu verändern", räumte Deutsche-Börse-Finanzchef Gregor Pottmeyer im November ein.

Die EU hat die Frist, bis zu der sie final über den Deal entscheiden will, bereits zweimal verlängert - aktuell läuft sie bis zum 13. März. Anschließend müsste noch die hessische Börsenaufsicht grünes Licht geben. Die Behörde sieht es Insidern zufolge kritisch, dass die Holdinggesellschaft der Mega-Börse nach derzeitigen Plänen in London angesiedelt werden soll. Viele deutsche Politiker und die Finanzaufsicht BaFin fordern gerade angesichts des Brexit-Votums, dass der Sitz in die EU verlegt wird. Mehrere mit der Fusion vertraute Personen beziffern die Chancen, dass der Deal am Ende durchgeht, deshalb auf weniger als 50 Prozent. Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter machte bereits im Dezember deutlich, dass die Verschmelzung noch lange nicht in trockenen Tüchern ist. "Das ist überhaupt nicht klar, dass das klappt."

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