Reuters

Partner oder Rivale? - Deutsche Wirtschaft streitet über China

10.01.2019
um 14:46 Uhr

- von Reinhard Becker und Klaus Lauer und Michael Nienaber

Berlin (Reuters) - Inmitten des Handelsstreits zwischen den USA und China ist in Deutschland eine Debatte über einen härteren Umgang mit dem wichtigen Handelspartner und Konkurrenten aus Asien entbrannt.

Der Bundesverband Deutsche Industrie (BDI) appelliert rund eine Woche vor einem Besuch von Bundesfinanzminister Olaf Scholz in der Volksrepublik an Berlin und Brüssel, die EU im Wettbewerb mit China zu stärken. BDI-Präsident Dieter Kempf rät den Firmen zugleich, ihre Präsenz in der staatlich gelenkten Volkswirtschaft zu überdenken: "Trotz der starken Anziehungskraft des chinesischen Marktes wird es für Unternehmen immer wichtiger, mögliche Risiken eines Engagements in China im Auge zu behalten."

Die in einem Grundsatzpapier enthaltene Mahnung ist auch deshalb brisant, weil VW-Chef Herbert Diess zuletzt in Peking die Losung ausgab: "Die Zukunft von Volkswagen wird auf dem chinesischen Markt entschieden." Der Konzern ist auf dem größten Automarkt der Welt seit Jahrzehnten eine feste Größe - auch dank Kooperationen mit einheimischen Herstellern. China ist für die im Umbruch begriffene Autobranche besonders attraktiv, weil dort Produktion und Verkauf von Elektro-Fahrzeugen stark gefördert werden.[L8N1ZA2LS]

"ANDERER ZUNGENSCHLAG"

Während sich die Maschinenbauer hinter den Vorstoß des BDI stellten, kam Kritik vom Deutschen Industrie- und Handelskammerverband (DIHK). "Mit dem BDI-Positionspapier zu China wird ein anderer Zungenschlag in die Diskussion gebracht", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier der Nachrichtenagentur Reuters. "Man muss aber immer bedenken, dass China unser wichtigster Handelspartner ist - jedes Wort muss man da auf die Goldwaage legen." Rund 900.000 Arbeitsplätze hierzulande hingen vom deutschen Export nach China ab. "Man kann ein politisches Regime nicht ändern, indem man sich aus dessen Volkswirtschaft zurückzieht", mahnte Treier. "Im Gegenteil: Der Grundsatz 'Wandel durch Handel' gilt weiterhin."

Der Außenhandelsverband BGA pflichtete dem BDI zwar bei, dass man eigene Interessen auch gegenüber wichtigen Wirtschaftspartnern deutlich artikulieren und vehement vertreten müsse. BGA-Präsident Holger Bingmann kritisierte aber die vom BDI angeschlagene Tonlage, auch wenn er Probleme im Verhältnis mit China einräumt: "Wie in jeder Partnerschaft gibt es natürlich auch Differenzen und Konflikte. Diese löst man nicht mit martialischen Tönen, sondern im konstruktiven Dialog." Die chinesische Wirtschaft habe sich in den vergangenen Jahrzehnten "hervorragend entwickelt" – zum beiderseitigen Nutzen.

Das deutsch-chinesische Handelsvolumen erreichte laut BDI zuletzt 187 Milliarden Euro, fast 30 Prozent des gesamten Handels zwischen der EU und der Volksrepublik. China ist zugleich Deutschlands wichtigster Handelspartner außerhalb der EU. Der BDI warnt, eine zu starke Abhängigkeit von einem einzelnen Markt sei aber immer mit politischen und wirtschaftlichen Risiken verbunden. Diese gelte es zu minimieren. BDI-Präsident Kempf fordert, Europa müsse effektiv gegen Firmen vorgehen, die nicht in der EU produzieren und staatliche Subventionen erhalten.

FURCHT VOR INDUSTRIESPIONAGE

Zugleich geht bei vielen Unternehmen die Furcht vor Industriespionage um. Sieben von zehn deutschen Industrieunternehmen sind nach Angaben des Digitalverbands Bitkom 2016 und 2017 Opfer von solchen illegalen Aktivitäten geworden, darunter auch Sabotage und Datendiebstahl. Fast jedes fünfte betroffene Unternehmen nannte China als Ausgangsort. Auch die USA werfen China Datenklau vor und wollen den Zollstreit mit der - derzeit von einer Konjunkturabkühlung geschwächten - Volksrepublik unter anderem als Hebel nutzen, um derartige Praktiken einzudämmen. Laut dem Ifo-Institut dürfte Peking in dem Handelskonflikt dabei langfristig den Kürzeren ziehen: "Ein voller Handelskrieg, der den gesamten chinesisch-amerikanischen Güterhandel mit Zöllen von 25 Prozent belegen würde, triebe den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden Chinas auf mehr als 30 Milliarden Euro, während jener der USA nur neun Milliarden Euro betragen würde."

Kritiker werfen der Volksrepublik vor, ihre Industrie gezielt durch Übernahmen in Schlüsselbranchen zu stärken und dabei zunehmend deutsche Unternehmen im Visier zu haben. "Erklärtes Ziel der chinesischen Regierung ist es, ausländische Technologien vom Markt zu verdrängen und durch einheimische zu ersetzen. Dazu gehört auch, durch Firmenübernahmen in Europa und hier vor allem in Deutschland in den Besitz von hochwertigen Technologien zu gelangen", erklärte der Maschinenbauerverband VDMA.

Das Bundeskabinett beschloss vor diesem Hintergrund im Dezember eine Novelle der Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Die Schwelle, ab der die Bundesregierung einen Anteilserwerb durch einen Investor aus dem Nicht-EU-Ausland prüfen kann, sinkt dadurch auf zehn Prozent. Der Staat kann solchen Geschäften jedoch gegebenenfalls nur dann einen Riegel vorschieben, wenn es sich um sicherheitsrelevante Bereiche handelt wie etwa IT und Telekommunikation sowie Finanz- und Versicherungswesen.

Der BDI fordert Wirtschaftsreformen und Marktöffnung von Peking, damit Wettbewerbsgleichheit zwischen chinesischen und EU-Unternehmen auf dem Weltmarkt gegeben sei. Er sieht China auch deshalb kritisch, da es sich entgegen früherer Erwartungen absehbar nicht hin zu Marktwirtschaft und Liberalismus bewege. Die deutsche Autoindustrie ist in dieser Hinsicht weniger skeptisch. "China will sich weiter öffnen, das begrüßen wir und nehmen China beim Wort", betonte der Branchenverband VDA.

Bayerische Motoren Werke AG

WKN 519000 ISIN DE0005190003

Mercedes-Benz Group AG

WKN 710000 ISIN DE0007100000

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039