Reuters

Gutachter entlastet Ex-Porsche-Chef in mehreren Punkten

05.11.2015
um 15:56 Uhr

- von Ilona Wissenbach

Stuttgart (Reuters) - Im Strafprozess gegen den ehemaligen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat ein Gutachter den Vorwurf der Marktmanipulation beim Übernahmepoker um Volkswagen in einem Teil der Fälle entkräftet.

Der Wirtschaftsprofessor Hans-Peter Burghof erklärte am Donnerstag vor dem Landgericht Stuttgart, bei fünf von sechs Anlässen, auf die sich die Anklage stützt, habe die Holding Porsche SE den Kurs der VW-Aktie nicht erkennbar beeinflusst. "Wenn man es auf ein Wort reduziert, ist die Antwort nein und nein", sagte Burghof auf die Fragen von Richter Frank Maurer, ob die Mitteilungen von Porsche zwischen Anfang März und Mitte September 2008 geeignet waren, auf den Kurs einzuwirken und ob sie es wirklich taten. Den sechsten Fall, die Bekanntgabe des Porsche-Plans einer völligen Kontrolle von VW von Ende Oktober 2008, will Burghof am Freitag behandeln.

Nach Darstellung von Wiedekings Verteidigern wird jedoch auch diese Mitteilung der Porsche SE, auf die hin der VW-Kurs auf über 1000 Euro schnellte, dem Angeklagten nicht zum Verhängnis. "Die Verteidigung fühlt sich bestätigt, dass Wendelin Wiedeking freigesprochen werden muss", erklärte dessen Anwalt Walther Graf. Das vom Gericht bestellte Gutachten sei der zweite Sargnagel für die Anklage, nachdem aus Sicht der Verteidigung eine unrichtige Darstellung bei den Porsche-Äußerungen ebenfalls nicht nachweisbar sei. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich dagegen vor der Verhandlung skeptisch. "Das Gutachten ist unklar, uns hat eine eindeutige Aussage gefehlt", sagte Staatsanwalt Heiko Wagenpfeil.

Burghof zieht seine Schlüsse mit Hilfe der Kapitalmarkttheorie. Eine Befragung von Zigtausenden Anlegern sei mit vertretbarem Aufwand nicht möglich, und es seien auch keine ehrlichen Antworten zu den Handelsmotiven zu erwarten, erklärte er. "Es wird im Nachhinein nirgendwo so viel gelogen wie am Kapitalmarkt."

PORSCHE HAT ANTEILE AN VW SCHRITTWEISE ERHÖHT

Die Staatsanwaltschaft wirft Wiedeking und dem damaligen Finanzvorstand Holger Härter vor, mit Falschinformation in der Übernahmeschlacht 2008 Anleger in die Irre geführt und den VW-Kurs manipuliert zu haben. Die Holding Porsche SE hatte mehrmals schriftlich und mündlich die Absicht einer vollständigen Übernahme von VW dementiert. Die Ankläger sehen es als erwiesen an, dass die Übernahmeentscheidung in der von den Familien Porsche und Piech beherrschten Dachgesellschaft aber schon längst gefallen war. Wiedeking hatte das in einer ausführlichen Stellungnahme zum Prozessauftakt bestritten. Als Argument führte er ins Feld, dass Ferdinand Piech - damals als wichtiger VW-Aktionär, VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Aufsichtsrat - gegen die vollständige VW-Übernahme bis kurz vor Bekanntgabe des Plans am 26. Oktober 2008 war. Damit sei die Übernahme bis dahin eine Vision des Vorstands gewesen, die sich nicht realisieren ließ.

Porsche hatte unter Wiedekings Führung seit 2005 seine Anteile am viel größeren Volkswagen-Konzern schrittweise erhöht. Im März 2008 überschritt die Beteiligung 50 Prozent. Bei einer Schwelle von 75 Prozent hätte die Holding einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit dem Konzern schließen können, an dem zu knapp über 20 Prozent das Land Niedersachsen beteiligt ist. Durch das Bestreiten der Absicht einer vollständigen Übernahme hatten Anleger, vornehmlich Hedge-Fonds, auf einen fallenden Aktienkurs Wetten abgeschlossen.

Als Porsche am 26. Oktober 2008 bekannt gab, bereits gut 74 Prozent von VW unter Kontrolle zu haben und 2009 seinen Anteil bis auf 75 Prozent aufstocken zu wollen, schnellte der Kurs in schwindelnde Höhen. Die Hedge-Fonds wurden auf dem falschen Fuß erwischt und mussten um jeden Preis VW-Aktien kaufen. Sie verklagten Porsche deshalb auf insgesamt gut fünf Milliarden Euro Schadenersatz. Die Übernahme scheiterte schließlich im Zuge der Finanzkrise 2009. Der Sportwagenbauer Porsche wurde zur VW-Tochter, die von den Familien Porsche und Piech kontrollierte Holding Porsche SE mit einem Anteil von knapp 50 Prozent Hauptaktionär von VW.

Porsche Automobil Holding SE

WKN PAH003 ISIN DE000PAH0038

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039