Reuters

EU-Gipfel beschließt Sanktionen gegen Belarus - Zypern gibt Blockade auf

02.10.2020
um 15:17 Uhr

Brüssel (Reuters) - Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich bei ihrem Sondergipfel in Brüssel auf Sanktionen gegen Belarus geeinigt.

Zypern gab bei dem Treffen seinen Widerstand auf und machte damit den Weg für die Strafmaßnahmen frei. Von den Sanktionen betroffen seien rund 40 belarussische Offizielle, denen eine Beteiligung an Wahlfälschungen vorgeworfen werde, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag. Der umstrittene belarussische Präsident Alexander Lukaschenko befinde sich nicht auf der Sanktionsliste. Dies könne sich aber noch ändern. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem "wichtigen Signal", das die friedliche Opposition in Belarus stärken werde.

"Wir können heute sagen, dass die Sanktionen gegen die Akteure in Belarus wirksam werden. Das heißt, die Europäische Union handelt jetzt gegen diejenigen, die den demokratischen Bewegungen sich entgegenstellen", sagte Merkel. Eine Regierungssprecherin kündigte an, dass Merkel am kommenden Dienstag die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja in Berlin empfangen werde. Die in Litauen im Exil lebenden Tichanowskaja wird demnach am Mittwoch auch Bundesaußenminister Heiko Maas treffen.

Die Sanktionen sollen sofort in Kraft treten. Mit den Strafmaßnahmen will Brüssel zusätzlichen Druck auf die Führung in Belarus aufbauen. Die EU-Staaten erkennen die dortige Präsidentenwahl vom 9. August nicht an. Amtsinhaber Lukaschenko hatte den Wahlsieg für sich beansprucht, die Opposition sprach von Wahlbetrug. Seitdem kommt es immer wieder zu Massenprotesten, die Sicherheitskräfte gehen teils brutal gegen die Demonstranten vor. Tausende Menschen wurden festgenommen. Lukaschenko regiert das Land seit 26 Jahren mit eiserner Hand.

"BERECHTIGTE ANLIEGEN"

Als Gegenleistung für die Zustimmung Zyperns hält die EU im Konflikt um Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer ihre Sanktionsdrohungen gegen die Türkei aufrecht. Zypern hatte den erforderlichen einstimmigen Belarus-Beschluss wochenlang blockiert. Die Regierung in Nikosia forderte zeitgleiche EU-Sanktionen gegen die Türkei. Die anderen Mitgliedstaaten waren allerdings nicht bereit, beide Vorgänge miteinander zu verknüpfen. Auf die Gasvorkommen erheben einerseits die Regierung in Ankara und andererseits die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern Ansprüche. Die Türkei unternahm bereits Bohrungen in dem Gebiet.

Merkel sagte in einer Video-Pressekonferenz zum Abschluss des Gipfels, die EU wolle deutlich machen, dass "die berechtigten Anliegen von Griechenland und Zypern von uns getragen werden". Es sei aber auch klar, dass die EU einen "konstruktiven Dialog" mit der Regierung in Ankara suche und ein gutes Verhältnis zur Türkei wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, im Fall neuer einseitiger Maßnahmen der Türkei könnten alle möglichen Instrumente und Optionen gegen Ankara genutzt werden.

"SIND SEHR WEIT FORTGESCHRITTEN"

Der andauernde Streit über die Details der künftigen EU-Finanzplanung wurde laut Merkel bei dem zweitägigen Gipfel kurz angesprochen. Es stünden hier noch schwierige Verhandlungen an. Zu dem Paket gehört auch die Auszahlung eines 750 Milliarden schweren Wiederaufbaufonds zur Eindämmung der Folgen der Corona-Krise. Dabei sorgt für Streit, dass mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, die Auszahlung von Finanzhilfen abhängig machen wollen von der Einhaltung der Rechtstaatlichkeit. Vor allem Polen und Ungarn sind strikt gegen ein solches Vorgehen und drohen mit ihrem Veto gegen die gesamte Finanzplanung. Auch das Europäische Parlament muss dem Finanzrahmen noch zustimmen und fordert mehr Geld. Merkel sagte, sie habe den Eindruck gewonnen, dass das Parlament in "konstruktiver Stimmung" sei.

Die Bundesregierung geht davon aus, noch im Oktober zumindest die Details zum Corona-Aufbaufonds mit den EU-Partnern klären zu können. "Wir sind sehr weit fortgeschritten und nicht weit von einer Einigung entfernt", hieß es in Berliner Regierungskreisen. Ein Kompromiss sei zeitnah möglich. Am Montag und Dienstag beraten die europäischen Finanzminister darüber.