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Welche Probleme hat Siemens Gamesa mit seinen Windturbinen?

23.06.2023
um 17:37 Uhr

- von Nina Chestney und Christoph Steitz

London/Frankfurt (Reuters) - Siemens Energy hat Kunden und Anleger mit dem Eingeständnis weitreichender Qualitätsprobleme bei den Windturbinen seiner spanischen Tochter Siemens Gamesa geschockt.

Bis alle Probleme behoben sind, könnte es Jahre dauern und mehr als eine Milliarde Euro kosten. Im Folgenden eine Übersicht zu der Misere bei Siemens Gamesa:

WAS MACHT SIEMENS GAMESA?

Die spanische Siemens Gamesa stellt Turbinen für Windräder her und bietet Dienstleistungen für Windkraft-Projektentwickler. China ist der größte Markt des Unternehmens, gefolgt von Großbritannien und Taiwan. Bis Ende April hat Siemens Gamesa weltweit Windturbinen mit einer Leistung von insgesamt mehr als 132 Gigawatt (GW) installiert - so viel wie rund 130 Atomkraftwerke. Davon entfallen auf Windturbinen an Land (Onshore) 108 GW, auf dem Meer (Offshore) sind es 22 GW. Das Unternehmen erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von 9,8 Milliarden Euro und hat Aufträge im Wert von 34,6 Milliarden Euro in den Büchern stehen.

WER SIND DIE KUNDEN VON SIEMENS GAMESA?

Zu den jüngsten Aufträgen gehören die Bestellung von 95 Turbinen durch Scottish Power Renewables in Großbritannien und die Lieferung von 40 Onshore-Windturbinen für das spanische Unternehmen Repsol. Zusammen mit der polnischen PGE Group und dem dänischen Unternehmen Ørsted liefert Siemens Gamesa 107 Windturbinen für das Baltica 2 Offshore-Windprojekt in der Ostsee.

WAS IST DAS PROBLEM MIT DEN TURBINEN?

Bislang galt vor allem eine Turbine als Sorgenkind: Die 5.X-Plattform. Siemens-Gamesa-Chef Jochen Eickholt hat sich in einem ersten Schritt vor allem diese Turbinen angesehen. Im Januar sprach Siemens Energy von höheren Garantie- und Wartungskosten und verbuchte zusätzliche Belastungen von knapp einer halben Milliarde Euro. Doch inzwischen wird deutlich, dass auch andere Turbinen mit Qualitätsmängeln zu kämpfen haben. Am Freitag sprach Eickholt von Fehlern bei Rotorblättern und Lagern bei älteren Turbinentypen. Unregelmäßige Vibrationen bei den Rotoren könnten Anzeichen für Risse und Materialschäden sein. Dabei könnte nicht ausgeschlossen werden, dass schon das Design der Komponenten fehlerhaft sei. Rund 15 bis 30 Prozent der 29.000 weltweit installierten Turbinen könnten betroffen sein, schätzt Siemens Gamesa. Das Ausmaß der Probleme sei noch nicht ganz abzusehen, weil die Komponenten zum Teil Lebenszyklen von bis zu 25 Jahren hätten.

WIE WILL SIEMENS GAMESA DIE PROBLEME LÖSEN?

Eickholt hat mit einer neuen Führungsmannschaft die installierte Flotte auf links gedreht und mit Sensoren und anderer Technik aufwändigen Tests unterzogen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Ausfälle zum Teil die gleichen Komponenten betrafen wie früher, zum Teil andere. Jetzt geht es darum, zu ermitteln, wie die Turbinen repariert werden können und welche Kosten letztlich anfallen. Offen ist auch, welche Rolle Zulieferer spielen und ob sie für Qualitätsmängel zur Rechenschaft gezogen werden können. Genauere Angaben will Siemens Energy nach einer vollständigen Analyse am 7. August dazu machen, wenn die Quartalszahlen vorgelegt werden.

BETRIFFT DAS DIE GANZE INDUSTRIE?

Nicht nur Siemens Gamesa hat im Windkraftgeschäft mit Schwierigkeiten zu kämpfen - auch andere Hersteller wie Nordex oder Vestas aus Dänemark sind mit steigenden Rohstoffkosten und einem harten Wettbewerb konfrontiert. Regierungen weltweit setzen sich ehrgeizige Klimaziele, die nur mit einem raschen Ausbau der erneuerbaren Energien, einschließlich Windkraft, zu erfüllen sind. Manche Windpark-Projekte haben sich aber schon wegen Lieferengpässen und steigenden Kosten verzögert.

(Geschrieben von Christina Amann, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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