Reuters

Internet-Währung Bitcoin knackt 10.000-Dollar-Marke

29.11.2017
um 14:46 Uhr

- von Hakan Ersen

Frankfurt (Reuters) - Die virtuelle Währung Bitcoin macht manchen Anleger in der realen Welt zum Millionär: Die Cyber-Devise stieg am Mittwoch um gut zehn Prozent und kostete mehr als 10.000 Dollar.

An der Börse BitPoint fiel sogar die 11.000er-Marke. Damit summiert sich das Plus seit Jahresbeginn auf etwa 1000 Prozent - keine Anlageklasse hat in den vergangenen Monaten auch nur annähernd so stark zugelegt.

"Das ist die Fortsetzung eines langanhaltenden Trends", sagte Thomas Glucksmann, Marketing-Chef der Börse Gatecoin. Die aktuelle Rally werde vom wachsenden Interesse spekulativ orientierter Anleger lediglich verstärkt. Außerdem interessierten sich immer mehr institutionelle Investoren für die Krypto-Währung. Die Analysten der Metzler Bank erinnerte der Bitcoin-Boom an die Tulpenmanie von 1637. Sie gilt als weltweit erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte. "Denn der 'wahre' Wert dieser digitalen Währung ist schwer bis gar nicht zu beziffern." Ähnlich äußerten sich ihre Kollegen von der Bank Julius Bär. "Die Motivation der Anleger ist Spielerei, ähnlich wie ein Casino-Besuch."

Hinter Bitcoin stehen weder Regierungen noch Zentralbanken. Über den Preis entscheiden allein Angebot und Nachfrage. "Die Leute kaufen sich in eine Idee davon ein, wie diese Technologie in der Zukunft genutzt werden könnte", sagte Gatecoin-Experte Glucksmann. Bitcoin basiert auf der sogenannten Blockchain-Technologie, bei der Informationen fälschungssicher in einer Datenbank gespeichert werden. Experten zufolge könnten Blockchains zahlreiche Branchen revolutionieren. Neben der Überweisung von Geld ohne den Umweg über eine Bank könnten bei Immobiliengeschäften Notare überflüssig werden. Massentaugliche Produkte sind allerdings noch Mangelware.

ERST DER ANFANG ODER DER ANFANG VOM ENDE?

Der Aufstieg werde Bitcoin neue Käufergruppen erschließen, die auf den Express aufspringen wollten, betonte Timo Emden, Deutschland-Chef des Online-Brokers DailyFX. "Die Gefahr, dass der Bitcoin-Zug allerdings abrupt zum Stehen kommen könnte, ist nicht ausgeschlossen. Eine Ablehnung des geplanten Bitcoin-Futures durch die US-Börse CME käme einem Griff an den 'Notbremshebel' gleich." Mit Terminkontrakten können Investoren auf steigende oder fallende Kurse wetten. Die weltgrößte Futures-Börse hofft auf eine Genehmigung der US-Aufsicht noch vor dem Jahresende. Im Frühjahr hatte sie allerdings einem börsennotierten Bitcoin-Fonds (ETF) eine Absage erteilt.

Die Kursexplosion bei Bitcoin und anderen Cyber-Währungen schürt Sorgen vor einem weltweiten Börsencrash oder gar einer Finanzkrise 2.0. Allerdings gebe es in Deutschland keinerlei Anzeichen, dass die Spekulation mit Krypto-Währungen kreditfinanziert sei, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Erst wenn dies der Fall wäre, könnte das unter Umständen Folgen für die Finanzstabilität nach sich ziehen.

Philipp Sandner, Bitcoin-Experte und Professor am Frankfurt School Blockchain Center, verwies bei einem Fachkonferenz vergangene Woche auf einen weiteren Aspekt: "Das Gesamtvolumen der Dotcom-Blase war 20 bis 30 Mal höher als die aktuelle Blase bei Krypto-Währungen." Dem Branchendienst CoinMarketCap zufolge liegt der Börsenwert aller rund 1300 virtuellen Währungen bei etwa 331 Milliarden Dollar. Die Marktkapitalisierung des Elektronik-Konzerns Apple ist fast drei Mal so hoch.

MODE-ERSCHEINUNG ODER NEUE ANLAGEKLASSE?

Abgekoppelt von der Kursentwicklung ist die Zukunft von Bitcoin alles andere als klar. "Ein Finanzinstrument gefangen zwischen harscher Kritik und nicht enden wollender Euphorie", resümierten die Metzler-Analysten. Einige Experten sehen die digitale Währung schon als anerkannte eigenständige Anlageklasse, die langfristig der "Antikrisen-Währung" Gold den Rang streitig machen könnte. Auch sei ein Kurs von 50.000 Dollar durchaus möglich. Dagegen warnt die Deutsche Bank wegen der großen Kursausschläge Anleger davor, Geld in Bitcoin zu stecken. Tagesveränderungen von über zehn Prozent am Tag sind keine Seltenheit. So brach der Kurs Anfang November nach mahnenden Worten der chinesischen Notenbank binnen weniger Tage um rund 30 Prozent ein.

Zuvor hatte die Regierung in Peking bereits ihre Gangart gegenüber Börsen für Krypto-Währungen verschärft. Bitcoin & Co sind ihr ein Dorn im Auge, weil Beträge in sekundenschnelle weltweit transferiert und damit Kapitalkontrollen ausgehebelt werden können. Jamie Dimon, Chef der US-Großbank JP Morgan, bezeichnete das digitale Geld im September sogar als "Betrug". Außerdem sei die Version der Blockchain-Technologie, auf der Bitcoin basiert, veraltet, so Sol Lederer, Manager des auf Blockchain spezialisierten Softwarehauses Loomia. Der Konkurrenzdruck neuerer, ausgefeilterer Blockchains wachse. "Aber selbst wenn es zu einem Crash kommt, ist es offensichtlich, dass Bitcoin gekommen ist, um zu bleiben."

Die älteste und wichtigste Cyber-Devise wurde von einer Person oder Gruppe mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto entwickelt und 2009 vorgestellt. Unter dem Eindruck der Finanzkrise von 2008 sollte eine weltweit jederzeit verfügbare unabhängige Währung geschaffen werden. Bevor die Daten einer Transaktion in die Blockchain geschrieben werden, müssen sie aufwendig verschlüsselt werden. Nutzer, die Rechenpower für diese Aufgabe zur Verfügung stellen, werden in Bitcoin entlohnt. Fachleute sprechen von "Mining" oder "Schürfen". Da das digitale Geld anonym transferiert werden kann, gerät es immer wieder im Zusammenhang mit illegalen Drogen- oder Waffengeschäften in die Schlagzeilen.

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