Reuters

Nahles unter Druck - Personaldebatte in SPD gewinnt an Fahrt

28.05.2019
um 16:22 Uhr

Berlin (Reuters) - In der SPD gerät Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles nach der Schlappe bei der Europawahl immer stärker unter Druck.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz kritisierte sie für ihren Vorstoß, sich kommende Woche vorzeitig zur Wiederwahl als Fraktionschefin zu stellen. "Diese Wahl ist für September angesetzt", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit" nach einem am Dienstag veröffentlichtem Vorabbericht. Der Fraktion müsse Zeit gegeben werden, die jüngsten Entwicklungen zu analysieren.

Am Mittwoch trifft sich die Fraktion nach Angaben aus Abgeordnetenkreisen zu einer Sondersitzung, bei der über Konsequenzen aus der Wahl beraten werden soll. Einer Civey-Umfrage im Auftrag von "Spiegel online" zufolge wünschen sich zwei Drittel der befragten SPD-Anhänger Nahles Rücktritt vom Parteivorsitz. Rund 57 Prozent von ihnen sind danach der Ansicht, ein Bruch der Koalition würde der Partei nutzen.

"Wir sollten Ruhe bewahren und die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit treffen", forderte Schulz. Auf die Frage, ob er selbst gegen Nahles antreten werde, erklärte er: "Diese Frage stellt sich zurzeit nicht." Das aktuelle Erscheinungsbild der SPD bemängelte Schulz als mutlos. Gerechtigkeit werde nur möglich sein, wenn "die ausufernde Marktmacht von Giganten wie Google, Amazon oder Facebook" beherzt bekämpft werde. "Die Sozialdemokratie wird an dem Tag wiedergeboren, an dem sie den Mut besitzt zu sagen: Der Klassenkampf, der Kampf um Gerechtigkeit, ist immer noch da, aber er wird nicht mehr national, er muss jetzt international geführt werden."

UMWELTMINISTERIN STÄRKT NAHLES DEN RÜCKEN

Nahles hatte zuvor für kommende Woche eine vorgezogene Abstimmung über den Fraktionsvorsitz angekündigt. Wer meine, dass er einen anderen Weg gehen wolle, solle dann gegen sie als Fraktionsvorsitzende kandidieren, sagte sie im ZDF. Sie wolle nicht die nächsten Monate Personaldebatten führen müssen. Bei der Europawahl am Sonntag war die SPD um mehr als elf Punkte auf 15,8 Prozent abgestürzt und damit auch deutlich hinter die Grünen zurückgefallen. Die SPD-Linke forderte daraufhin einen Kurswechsel und stellte auch die große Koalition infrage.

Ein SPD-Fraktionsmitglied sagte Reuters, der Frust an der Basis sei riesig und die Zukunft von Nahles damit ungewiss: "Jetzt oder nie. Wir brauchen einen Neustart, auch personell. So kann es auf jeden Fall nicht mehr weitergehen." Ein anderes Fraktionsmitglied betonte dagegen, es sei vorerst nicht mit personellen Konsequenzen zu rechnen: "Ich wüsste nicht, wer da erfolgreich zur Revolution blasen will." Die zum linken Flügel gehörende Hilde Mattheis sagte im Deutschlandfunk, es sei gut, wenn die Fraktion vor der Sommerpause Klarheit habe. Gleichzeitig kritisierte sie aber, dass die inhaltliche Debatte jetzt wieder von einer Personaldebatte überlagert werde.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze stellte sich unterdessen hinter Nahles. "Erst mal finde ich, dass Andrea Nahles einen sehr guten Job gemacht hat, dass sie sehr klar und sehr pointiert die Positionen der SPD vertritt", sagte sie Reuters TV. "Ich verstehe, dass Sie jetzt Klarheit haben will, dass die Fraktion ihr folgt und deswegen ist das ein konsequenter Schritt."

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