Reuters

Energiekonzerne sollen für ihre Atomtöchter haften

02.09.2015
um 18:01 Uhr
- von Gernot HellerBerlin (Reuters) - Die Bundesregierung will die Energiekonzerne für Abriss- und Entsorgungskosten von Kernkraftwerken ihrer Atomtöchter per Gesetz in Haftung nehmen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will mit der neuen Regelung verhindern, dass sich die Konzerne der Haftung durch Umstrukturierung entziehen können, wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorliegenden Referentenentwurf hervorgeht. Das Vorhaben mit dem Titel "Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz", soll nach Möglichkeit noch in diesem Monat vom Kabinett beschlossen werden. Es soll gewährleisten, dass Konzerne nach dem Grundsatz "Eltern haften für ihre Kinder" auch dann für den Abriss und die Entsorgung von Atomkraftwerken einstehen müssen, wenn sie die Betreibertöchter nach Inkrafttreten des Gesetzes abspalten oder den Konzern anderweitig umbauen, wie es E.ON plant. Der Versorger drohte bereits, er wolle gegen ein mögliches neues Gesetz vor Gericht vorgehen. Nach Angaben des Wirtschaftsministerium befindet sich der Referentenentwurf in der Regierung in der Ressortabstimmung. Diese dauere derzeit noch an, erklärte eine Ministeriumssprecherin. Die aktuelle Rechtslage biete nur begrenzt Schutz für den Fall der Verkleinerung des Haftungsvermögens, hieß es in der Begründung für das Gesetzesvorhaben. Momentan sei die Haftung des Mutterkonzerns nur sehr eingeschränkt gewährleistet, wenn diese die Beherrschung der Kraftwerksbetreiber-Tochter beendet. Zudem greife sie mit fünf Jahren auch zeitlich viel zu kurz.KONZERNE SOLLEN MIT KOMPLETTEM VERMÖGEN HAFTENDas neue Gesetz soll sicherstellen, dass Konzerne mit ihrem kompletten Vermögen zur Deckung der nuklearen Entsorgungskosten herangezogen werden können. Bedingung für eine solche Konzernhaftung ist, dass der Kraftwerksbetreiber von einem Mutterkonzern beherrscht wird. Eine Beherrschung liegt vor, wenn ein Konzern die Kapital- oder Stimmrechtsmehrheit an dem Betreiber hält oder diesen leitet. Entscheidend ist, dass nach dem neuen Gesetz die Haftung des Mutterkonzerns bis zur Stilllegung einer Atomanlage und der Endlagerung des Atommülls andauert. Dieser Haftung kann sich ein Konzern auch nicht entledigen, indem er nach dem Inkrafttreten des Gesetzes bei der Betreibertochter die Mehrheit abgibt oder aus der Leitung ausscheidet. Von neuen Haftungstatbeständen ist in dem Entwurf ansonsten nicht die Rede. Die vier bestimmenden deutschen Energiekonzerne und Atomkraftwerksbetreiber E.ON, RWE, Vattenfall und EnbW haben Rückstellungen für den Abriss der Atomkraftwerke und die Lagerung ihres noch Tausende Jahre strahlenden Mülls von rund 38 Milliarden Euro angesammelt. In der Politik kommen immer wieder Zweifel auf, ob die Summe ausreicht. Der E.ON-Konzern hat für 2016 eine Umstrukturierung angekündigt, wobei er sich in einen Öko- und einen Atomkonzern aufspalten will. Reuters hatte bereits berichtet, dass die Regierungspläne für eine lange Haftung bei Insidern, Investoren und Analysten Zweifel am Erfolg der Aufspaltung nähren. Auch der Fahrplan könnte wackeln. Kritiker befürchten, dass sich E.ON durch die Aufspaltung aus der Verantwortung für die Atomlasten stehlen wolle.Bei dem Düsseldorfer Versorger rief der Entwurf nun scharfe Kritik hervor: "Der Entwurf (...) dürfte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten", teilte E.ON umgehend mit. Dies gelte vor allem für die vorgesehene unbegrenzte Haftung. Sollten die Pläne Gesetz werden, "müssten wir aller Voraussicht nach Rechtsmittel einlegen". Am Markt gaben die Aktienkurse der Versorger nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs nach. So lagen E.ON-Papiere am Nachmittag gegen den Trend knapp ein Prozent im Minus und RWE 1,3 Prozent.

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

WKN 522000 ISIN DE0005220008

RWE AG

WKN 703712 ISIN DE0007037129

Valiant Holding AG

WKN 157770 ISIN CH0014786500