- von Christian Krämer
Berlin/München (Reuters) - Die Bundesregierung übt wegen der Manipulation von Abgas-Tests scharfe Kritik an Volkswagen.
Es werfe einen Schatten auf die Versprechen deutscher Unternehmen, wenn sich ein Weltkonzern wie VW derart eklatant über Umweltregeln hinwegsetze, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks dem "Handelsblatt". Kanzleramtsminister Peter Altmaier ergänzte im "Tagesspiegel am Sonntag", der Wolfsburger Dax-Konzern müsse nun unter neuer Führung Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. "Wir brauchen eine Garantie dafür, dass Autos deutscher Hersteller Normen einhalten, ohne dass manipuliert wird." Daimler-Chef Dieter Zetsche wies jede Form von Trickserei für sein Unternehmen zurück.
Sowohl SPD-Politikerin Hendricks als auch CDU-Mann Altmaier argumentierten mit Sorgen um den Standort. "Die Glaubwürdigkeit der deutschen Industrie ist ein hohes Gut. Die Marke 'Made in Germany' darf deshalb nicht in Mitleidenschaft gezogen werden", sagte die Umweltministerin. Altmaier betonte, VW sei für das Image der deutschen Wirtschaft mitverantwortlich. Die Aufklärung des Falls sei das Unternehmen aber auch den eigenen Mitarbeitern und Kunden schuldig.
NEUER VW-CHEF - DAS DARF NIE WIEDER PASSIEREN
Der Abgas-Skandal erschüttert Europas größten Auto-Hersteller seit einer Woche. Auf VW kommen nun Milliarden-Lasten zu, die Aktie ist eingebrochen. Der langjährige Firmenchef Martin Winterkorn musste seinen Posten räumen. Er wurde am Freitag durch den bisherigen Porsche-Boss Matthias Müller ersetzt. Dieser will unter anderem den einzelnen Marken der Gruppe mehr Verantwortung übertragen. Bisher wurde vieles zentral von Wolfsburg entschieden. Zum jüngsten Skandal sagte Müller: "Entscheidend ist, dass so etwas bei Volkswagen nie mehr passiert." Deswegen werde er strengere Regeln zur Unternehmensführung einführen.
In dem Skandal, der in den USA aufflog, geht es um manipulierte Abgas-Tests, um Diesel-Fahrzeugen ein besseres Image zu verleihen. An der Börse waren zuletzt Sorgen aufgekommen, dass auch andere Hersteller geschummelt haben könnten, was die Unternehmen aber zurückwiesen. "Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen", so Daimler-Chef Zetsche in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auf die Frage, ob alle Hersteller Betrüger seien, sagte er: "Klare Antwort: Nein!"
SCHÄRFERE TESTS
Im VW-Fall forderte auch der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, eine lückenlose Aufklärung: "Wir müssen Betrug unterbinden, und deshalb müssen wir der Sache auf den Grund gehen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Wenn nötig, könnten die Vorschriften weiter verschärft werden. "Allerdings haben wir bereits ein Gesetz, das uns erlaubt, Abgas-Tests unter realistischen Bedingungen durchzuführen."
Ähnlich äußerte sich EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska: "Unsere Botschaft ist klar: strenge Befolgung der EU-Regeln und null Toleranz bei Betrug." Die EU hat Emissionstests entwickelt, die Autos im Straßenverkehr überprüfen. Sie sollen ab Januar eingeführt werden. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte allerdings, die Brüsseler Behörde gebe nur den regulatorischen Rahmen vor, für die Umsetzung seien die Mitgliedsländer zuständig.
Die US-Umweltbehörde EPA wies unterdessen in einem Schreiben an die Hersteller darauf hin, dass sie zusätzliche Prüfungen verlangen könne. In diesen würde dann untersucht, ob die Abgasnormen unter normalen Fahrbedingungen auf der Straße erfüllt werden - und nicht nur in Testlaboren. Laut EPA hat VW mit einer Software Emissionskontrollsysteme manipuliert. Das Programm erkennt, ob das Auto auf einem Teststand läuft, und reguliert dann den Motor so, dass Grenzwerte eingehalten werden. Im Normalbetrieb liegen die Werte jedoch bis zu 40 Mal höher als vorgegeben.
Trotz der Affäre baut die Porsche Automobil Holding ihre Beteiligung an Volkswagen aus. Die Dachgesellschaft teilte mit, Suzuki außerbörslich 1,5 Prozent der VW-Stammaktien abgekauft zu haben. Zum Preis wurden keine Angaben gemacht. Der japanische Verkäufer betonte allerdings, einen Sondergewinn von umgerechnet rund 271 Millionen Euro zu verbuchen. Künftig hält die Porsche Holding 52,2 Prozent der VW-Stammaktien und ist insgesamt mit 32,4 Prozent am gezeichneten Kapital beteiligt. Die Transaktion sei ein klares Bekenntnis zu dem Investment, hieß es von der Stuttgarter Gesellschaft.