Reuters

Digitale Abhängigkeit vom Ausland dürfte in nächsten Jahren zunehmen

17.01.2024
um 15:57 Uhr

Berlin (Reuters) - Die starke Abhängigkeit vom Ausland bei digitalen Gütern und Dienstleistungen wird in den nächsten Jahren vermutlich noch zunehmen.

In einer Bitkom-Umfrage unter mehr als 600 Firmen ab 20 Beschäftigten aus allen Branchen gaben 55 Prozent der Betriebe an, mit einer Verschlechterung zu rechnen. 36 Prozent erwarten keine Veränderung, nur sechs Prozent rechnen in fünf Jahren mit einer geringeren Abhängigkeit. Dominant sind vor allem China und die USA als Lieferanten. 62 Prozent der Firmen schätzen sich selbst als stark abhängig vom Ausland ein, weitere 32 Prozent bezeichneten ihre Lage als "eher abhängig", wie der Digitalverband am Mittwoch in Berlin mitteilte.

Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst sagte, Deutschland müsse im ersten Schritt zu einem Zentrum der Halbleiterbranche werden. "Wir brauchen eine Trendwende, und wir brauchen sie jetzt." Die Ampel-Regierung müsse dies im zweiten Teil ihrer Amtszeit ganz nach oben auf die Agenda setzen. 86 Prozent der Unternehmen forderten in der Befragung, mehr in Schlüsseltechnologien zu investieren, beispielsweise Künstliche Intelligenz (KI). Die Bundesregierung habe mit hohen Subventionen - beispielsweise für Intel und Infineon - neue Chipfabriken in Deutschland gefördert, was richtig sei. Hier sei Deutschland in einem starken internationalen Wettbewerb. Die aktuellen Haushaltsnöte des Bundes dürften dem nicht im Wege stehen.

In der Solarbranche, in der Deutschland auch stark von Importen aus China abhängig ist, kündigte der Schweizer Konzern Meyer Burger an, die Schließung seiner Modulproduktion in Deutschland vorzubereiten. Für den Fall ausbleibender Maßnahmen der Politik zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen wolle das Unternehmen damit gegen die derzeitigen Verluste vorgehen. Ein Teil des Plans sei die Schließung des Werkes im deutschen Freiberg mit rund 500 Mitarbeitern Anfang April. Dabei handele es sich um die größte in Betrieb befindliche Solarmodulproduktion Europas.

SORGEN VOR ALLEM WEGEN CHINA - SCHLECHTES ZEUGNIS FÜR AMPEL

In der Bitkom-Umfrage zu digitalen Gütern und Dienstleistungen machten sich 69 Prozent der Firmen Sorgen wegen der Abhängigkeit von China. Im Falle der USA gaben dies 38 Prozent an. Ohne Importe aus dem Ausland könnten nur sieben Prozent der Betriebe länger als zwei Jahre durchhalten. Besonders hoch sind die Abhängigkeiten bei Endgeräten wie Smartphones oder Laptaps, aber auch Komponenten wie Chips oder Sensoren.

Enttäuscht sind die Betriebe von der Ampel-Regierung. Sie bekomme bei den Bemühungen, unabhängiger vom Ausland zu werden, im Schnitt nur die Schulnote 5, also mangelhaft. "Die Zahlen müssen für die Politik ein Weckruf sein", so Wintergerst. Die USA seien wesentlich offener für neue Technologien und stärker auf eigene Interessen ausgerichtet, Europa dagegen skeptischer und agiere viel öfter mit Verboten. Die Politik müsste mehr IT-Fachkräfte anlocken, die Verwaltung digitalisieren, eine stärkere Datennutzung zulassen und Bürokratie abbauen. Gezielt gefördert werden sollten neben KI auch Quantencomputer und mehr IT-Sicherheit. Stärkere Abschreibungsmöglichkeiten könnten mehr Investitionen in die Digitalisierung anschieben. "Die Herstellung digitaler Souveränität muss künftig Kern deutscher Wirtschaftspolitik werden", forderte der Bitkom-Präsident.

(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Infineon Technologies AG

WKN 623100 ISIN DE0006231004

Intel Corp.

WKN 855681 ISIN US4581401001

Meyer Burger Technology AG

WKN A0YJZX ISIN CH0108503795